Leipzig (dpa) - Die Androhung von Gewalt war in Leipzigs linksalternativem Stadtteil Connewitz vorab für jedermann zu lesen. »Rache für Linksunten 25.01. Bullen jagen« stand zusammen mit einem Antifa-Zeichen an einer Hauswand. Am Samstagabend haben vermummte Randalierer die Drohung wahr gemacht.
Aus einer Demonstration gegen das Verbot der Plattform »Linksunten.Indymedia« heraus flogen Steine auf die Polizei. Autoscheiben und das Glas eines Wartehäuschens der Straßenbahn gingen zu Bruch. Journalisten berichteten von Bedrohungen. 13 Polizisten wurden nach Angaben der Polizei leicht verletzt, sechs Verdächtige festgenommen.
Nach der Eskalation in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz steht Leipzig zum zweiten Mal innerhalb eines Monats wegen Ausschreitungen im Fokus. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) verurteilte die Gewalt auf das Schärfste. »Wer Journalisten und Polizisten angreift, greift die Meinungsfreiheit und unsere friedliche Gemeinschaft an«, erklärte der Minister. »Dem werden wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten.«
SPD-Chefin Saskia Esken schrieb auf Twitter: »Gewalt gegen Menschen und Sachen ist inakzeptabel und muss ganz klar strafrechtlich verfolgt werden!« Den Polizistinnen und Polizisten dankte sie für ihr »besonnenes Verhalten«. Ihr Parteikollege, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung, zeigte sich entsetzt über den erneuten Gewaltausbruch. »Was geht in Menschen vor, die so hassen? Sie wüten gegen alles, alles, für das wir täglich eintreten: gegen Respekt, gegen Demokratie und Rücksicht und Toleranz.«
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), hofft auf eine breite gesellschaftliche Ablehnung der Vorkommnisse in Leipzig. »Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen ist unser aller Verpflichtung«, sagte der Thüringer Ressortchef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag).
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt an diesem Mittwoch über Klagen gegen das Verbot von »Linksunten.Indymedia«. Das Bundesinnenministerium hatte 2017 ein Vereinsverbot erlassen, unter anderem weil auf der linksradikalen Seite auch Gewaltaufrufe publiziert wurden.
Die Demonstration, für die bundesweit mobilisiert worden war, hatte vor dem Gerichtsgebäude zunächst friedlich begonnen. Redner kritisierten das »Linksunten«-Verbot als Anschlag auf »linke, emanzipatorische Projekte«. Danach setzte sich der Zug in Richtung Connewitz in Bewegung und schwoll auf rund 1600 Teilnehmer an.
Die Aggressivität in Teilen der Demo nahm mit jedem gelaufenen Meter zu. Erst wurden einzelne Bengalos gezündet, dann flogen Böller, Nebeltöpfe und Raketen - und schließlich Steine. Vermummte rissen sie aus dem Pflaster des Fußwegs entlang der Demostrecke. Als an einer Kreuzung in der Südvorstadt ein regelrechter Steinhagel auf Polizeiautos niederging, stoppte die Demo.
Behelmte Polizisten mit Schutzschilden und Demonstranten standen sich nach den Steinwürfen eine ganze Weile gegenüber. Nach einigem Hin und Her wurde nach dem Stopp der ersten Demonstration eine Fortsetzung bis nach Connewitz angemeldet. Dort löste sich die inzwischen stark geschrupfte Versammlung schließlich auf.
Die Höhe des Sachschadens könne noch nicht beziffert werden, sagte ein Stadtsprecher am Sonntag. Die Spuren der Eskalation waren auch da noch deutlich zu sehen. Neben dem Wartehäuschen wurden auch die Scheiben eines Sandwich-Imbiss' attackiert, zerbarsten aber nicht. An einer Konsum-Filiale überdeckten Pressspanplatten an der Tür und an einem Schaufenster die Schäden.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot und Unterstützung aus mehreren Bundesländern im Einsatz - nicht zuletzt wegen der Eskalation in der Silvesternacht in Connewitz. Dabei waren nach Polizeiangaben mehrere Polizisten angegriffen und verletzt worden, ein 38 Jahre alter Beamter wurde tagelang im Krankenhaus behandelt. Die Ermittler gehen von Linksextremisten als Tätern aus, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes gegen die unbekannten Angreifer.
Allerdings war nach Silvester auch Kritik am Einsatz und an der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei laut geworden. Sie hat inzwischen ihren Pressesprecher ausgetauscht. Diesmal setzte die Polizei betont auf Deeskalation und hielt sich lange im Hintergrund. Erst nach den Aggressionen aus der Demonstration heraus schritt sie ein.
Die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel, die nach Silvester eine der schärfsten Kritikerinnen des Polizeieinsatzes gewesen war, zeigte sich diesmal betroffen. Sie twitterte noch in der Nacht: »Kann mir mal jemand erklären warum #le2501 so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht was das mit den inhaltlichen Zielen, die ich durchaus teile, zu tun hat.«