Käsescheiben reihen sich neben Fleischwurst, dazwischen sind einzelne Tomaten angerichtet. Der Geruch von Kaffeebohnen zieht durch den Raum. Zur Feier des Tages gibt es dazu noch Kuchen in einer Einrichtung der Berliner Stadtmission. Grund ist der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau, der Juristin Elke Büdenbender, am Sonntag. Gemeinsam schenkte das Ehepaar Kaffee aus und verteilte Frühstück an die Bewohner. Einer von ihnen ist Harry. Seit November vergangenen Jahres ist er wohnungslos.
»Mein Sohn hat mich auf die Straße gesetzt«, sagte der 78-Jährige. Es habe zuvor Streitigkeiten ums Erbe gegeben. Nachdem er einen Schlaganfall erlitten und sechs Wochen im Krankenhaus gelegen habe, sei er schließlich in die Einrichtung nahe der Oranienburger Straße gekommen. »Ich hatte überhaupt gar nichts bei mir«, sagte Harry. Er habe dann alles bekommen, was man im Alltag so brauche, wie Zahnpasta und Kleidung.
Wohnungslose zu Empfang auf Schloss Bellevue
Bundespräsident Steinmeier befürchtet, dass aufgrund der steigenden Preise im Herbst und Winter noch mehr Menschen in Deutschland ihre Wohnung verlieren. Das drohe etwa armen Menschen und Familien, die wegen der steigenden Preise ihre Miete oder Nebenkosten nicht mehr bezahlen könnten, so der Politiker später bei einer Rede im Schloss Bellevue. »Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass niemand, der wegen der steigenden Wohnkosten in Zahlungsschwierigkeiten gerät, sein Zuhause verliert oder sogar auf der Straße landet.«
Steinmeier hatte zum Tag der Wohnungslosigkeit unter anderem Politiker, Ärztinnen und Ärzte, Vertreter der Wohnungswirtschaft sowie ehemalige Wohnungslose in seinen Amtssitz eingeladen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) wies dabei darauf hin, dass es weder die Kommunen noch die Länder oder der Bund alleine schaffen können, die Wohnungslosigkeit zu bekämpfen. Es müsse auf allen Ebenen kommuniziert werden. »Wir müssen beispielsweise mit dem Innenministerium reden, wie schaffen wir eine bessere Gewaltprävention für Menschen auf der Straße?«, sagte die Politikerin.
Es braucht den politischen Willen
Nordrhein-Westfalens Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) forderte, dass es den politischen Willen geben müsse, das Problem wirklich anzugehen: »Am Ende des Tages muss man dafür auch Geld in die Hand nehmen, das ist auch am Ende im Landeshaushalt darstellbar, wenn man es denn will.«
Der Sozialmediziner Gerhard Trabert begrüßte die Worte Steinmeiers. »Der Bundespräsident nimmt unsere Gesellschaft, aber eben auch ganz deutlich die politischen Entscheidungsträger in die Verantwortung«, so Trabert. »Gerade in der Gegenwart ist dies ein bemerkenswertes Zeichen der Solidarität, die eben auch die politisch notwendige Maßnahmen anspricht, gegenüber und mit den Menschen am Rande unserer Gesellschaft.« Dies würde er sich von allen Politikern wünschen.
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