Der frühere US-Präsident Donald Trump befürchtet eine weitere Anklage. Es könnte die folgenschwerste mit Blick auf seine Ambitionen sein, 2025 erneut ins Weiße Haus einzuziehen. Trump wurde nach eigenen Angaben am Sonntag benachrichtigt, dass er Ziel von Ermittlungen zur Erstürmung des Sitzes des US-Parlaments am 6. Januar 2021 sei.
Trump hatte in den Wochen nach der Wahl 2020 mit unbelegten Behauptungen Stimmung gemacht, ihm sei der Sieg durch Wahlbetrug gestohlen worden. Anfang Januar kam es dann zum beispiellosen Angriff auf den Sitz des US-Kongresses, mit dem Trump-Anhänger versuchten, die formale Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden und damit den Machtwechsel in Washington zu verhindern.
Steht eine Anklage unmittelbar bevor?
Das ist unklar. Sonderermittler Jack Smith prüft seit Monaten, ob es genügend Beweise gibt, um in diesem Fall strafrechtliche Schritte gegen Trump einzuleiten. Der Ex-Präsident selbst teilte mit, in einem Schreiben sei er am Sonntag dazu aufgefordert worden, sich binnen vier Tagen bei dem Geschworenengremium, das am Ende über eine Anklage entscheidet, zu melden. Er habe aber nicht vor, dieser Aufforderung nachzukommen, berichteten Medien unter Berufung auf Trumps Anwälte.
Ein solcher Brief bedeutet, dass der Ermittler genügend Beweise gesammelt hat, um den Angeschriebenen mit einer Straftat in Verbindung zu bringen. Das Schreiben bedeutet aber nicht, dass es am Ende tatsächlich auch zu einer Anklage kommt. Auch ist unklar, ob die Grand Jury nach den vier Tagen, die Trump eingeräumt worden sein sollen, unmittelbar über eine Anklage entscheidet. Trump selbst machte deutlich, dass er mit einer Festnahme und Anklage rechne.
Um welche Straftaten könnte es gehen?
Seitens der Ermittler gibt es bislang keine offiziellen Informationen dazu. Das »Wall Street Journal« und die »New York Times« berichten unter Berufung auf mit dem Schreiben vertraute Personen, dass darin verschiedene mögliche Straftatbestände aufgeführt werden. Demnach könnten Trump Verschwörung gegen die US-Regierung und der vorsätzliche Entzug von Rechten, die durch die Verfassung geschützt sind, zur Last gelegt werden. Das »Wall Street Journal« nennt zudem Zeugenbeeinflussung als möglichen Anklagepunkt. Der seltene Straftatbestand des Aufruhrs wird in den Berichten nicht angeführt.
Wo müsste Trump erscheinen?
Zeugen wie Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und der frühere Vizepräsident Mike Pence wurden Medienberichten zufolge im Rahmen der Ermittlungen vor einem Bundesgericht in Washington befragt. Es ist davon auszugehen, dass Trump im Falle einer Anklage auch dort zur Verlesung der Anklageschrift erscheinen müsste.
Kann Trump trotzdem zur Wahl antreten?
Die Rechtslage würde Trump nicht daran hindern, auch als verurteilter Straftäter bei der Präsidentenwahl 2024 anzutreten, wie Rechtsexpertinnen und -experten immer wieder betonen. Mit Blick auf den Ausschluss von politischen Ämtern könnte die Anklage aber die bislang folgenschwerste sein. Zumindest dann, wenn Trump auch wegen des seltenen Straftatbestands des Aufruhrs angeklagt und verurteilt wird.
Laut Verfassung sind all jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt haben. Der Straftatbestand ist dem US-Gesetz zufolge erfüllt, wenn jemand zum Aufstand gegen die Autorität des Staates oder der Gesetze anstiftet oder sich daran beteiligt.
Ein Untersuchungsausschuss im Kongress hatte Trump im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol gleich mehrere Vergehen vorgeworfen - unter anderem, dass er die Menge zum Aufruhr angestiftet haben soll. Der Ausschuss hatte dem Justizministerium eine Anklage empfohlen, dies ist aber rechtlich nicht bindend.
Ein Verfahren gegen Trump könnte sich lange hinziehen. Im Ansatz macht dies derzeit schon die Geheimdokumente-Affäre deutlich. Trumps Anwälte spielen auf Zeit, auch wegen der Präsidentenwahl. Sie führen diese als Grund dafür an, dass ein Prozess nicht vorher stattfinden sollte, weil ihr Mandant als aussichtsreichster Anwärter auf die Kandidatur der Republikaner im Wahlkampf zu stark eingebunden wäre.
Welche Konsequenzen muss Trump befürchten?
Dann droht dem Republikaner eine mehrjährige Haftstrafe. Wie weitreichend die Folgen für seine politische Zukunft wären, hängt auch vom Zeitpunkt einer möglichen Verurteilung ab. Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass er das Amt des US-Präsidenten auch im Falle einer Verurteilung noch mal ausübt. Einen Präsidenten, der hinter Gittern sitzt, hat es in der US-Geschichte allerdings noch nicht gegeben - hier dürfte es zumindest praktische Hürden geben.
Könnte Trump sich im Fall einer Wiederwahl selbst begnadigen?
Im Falle einer Verurteilung und eines Wahlsiegs 2024 könnte Trump sich nach der Amtsübernahme 2025 selbst begnadigen. Sind Prozesse gegen ihn noch im Gange, könnte er als Präsident veranlassen, dass die Anklage gegen ihn fallen gelassen wird.
Welchen anderen Vorwürfen muss sich Trump stellen?
Anfang April war Trump unter weltweitem Aufsehen im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar in New York angeklagt worden - als erster Ex-Präsident in der US-Geschichte. Er plädierte auf »nicht schuldig«. Der Prozess in dem Fall soll im März 2024 in New York beginnen.
Im Juni folgte eine weitere Anklage, weil Trump Regierungsdokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe nach seiner Amtszeit in seinem Anwesen Mar-a-Lago aufbewahrt und nach Aufforderung nicht zurückgegeben hatte. Auch hier plädierte Trump auf »nicht schuldig«. Es war die erste Anklage auf Bundesebene für den Republikaner. Der Prozessbeginn ist hier noch offen. Im Bundesstaat Georgia ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Trump zudem wegen möglicher Wahlmanipulation - auch da geht es um die Wahl 2020.
Eine Anklage Trumps wegen seiner Rolle beim Sturm aufs Kapitol wäre also die zweite Anklage auf Bundesebene für den Republikaner und die dritte Anklage wegen einer Straftat. Daneben gibt es noch diverse zivilrechtliche Verfahren.
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