Angesichts massiver Proteste infolge einer schweren Wirtschaftskrise soll das Parlament von Sri Lanka am 20. Juli einen seiner Abgeordneten zum Nachfolger des derzeitigen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa wählen. Dies hätten Parteichefs und andere politische Führer bei einem Treffen am Montag beschlossen, berichteten örtliche Medien übereinstimmend.
Rajapaksa hatte wenige Stunden zuvor in einer offiziellen Mitteilung an Premierminister Ranil Wickremesinghe bekräftigt, am Mittwoch seinen Posten räumen zu wollen. Die Demonstranten verlangen aber einen sofortigen Rücktritt Rajapaksas und wollen bis dahin ihre Proteste fortsetzen.
Es wurde nun entschieden, das Parlament am Freitag einzuberufen. Die Nominierungen für das Amt des Präsidenten sollten am 19. Juli entgegengenommen werden, die Abstimmung sei tags darauf vorgesehen.
Demonstranten stürmten Präsidentenpalast
Am Wochenende hatten Zehntausende Menschen in Colombo demonstriert. Ihnen gelang es auch, den Präsidentenpalast und das Präsidialamt sowie die offizielle Residenz des Premierministers zu stürmen. Bilder von Demonstranten im Pool des Präsidentenpalastes gingen um die Welt. Die Ereignisse sind der bisherige Höhepunkt der seit Monaten andauernden Massenproteste. Demonstranten besetzten am Montag weiterhin die Gebäude. Einsatzkräfte versuchten nach Angaben der Polizei zunächst nicht, die Gebäude zurückzuerobern. Die Sicherheitslage in Colombo sei aber unter Kontrolle.
Demonstranten und Oppositionsparteien fordern auch den Rücktritt von Premier Wickremesinghe. Sie drohen mit landesweiten Streiks ab Donnerstag, sollten beide bis dahin ihre Ämter nicht niedergelegt haben. Wickremesinghe hatte am Wochenende seinen Rückzug angeboten.
Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern erlebt die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1948. Die Wut der Demonstranten richtet sich unter anderem gegen einen seit Monaten bestehenden Mangel an Treibstoff, Gas zum Kochen, aber auch an Medikamenten und Lebensmitteln sowie gegen die hohe Inflation und stundenlange Stromausfälle. Ein Grund dafür ist, dass Einnahmen aus dem wichtigen Tourismus im Zuge der Corona-Pandemie eingebrochen sind. Dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren.
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