Der Vorstoß des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, das Ehegattensplitting künftig zu streichen und dafür das Elterngeld unangetastet zu lassen, stößt beim Koalitionspartner FDP auf scharfe Kritik.
»Die Abschaffung des Ehegattensplittings wäre eine gigantische Mehrbelastung für die Mitte der Gesellschaft«, hieß es aus Kreisen des FDP-geführten Bundesfinanzministeriums. »Dafür gibt es keine Mehrheiten.«
Klingbeil hatte eine Abschaffung für neue Ehen vorgeschlagen. »Damit würden wir dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen. Und der Staat würde Geld sparen«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Bundesarbeitsminister Hubertus Heil unterstützte die Überlegungen. »Fachlich wäre das ein Schritt nach vorne«, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur am Rande seiner diesjährigen Sommerreise. »Ich kann nur aus fachlicher Sicht als Arbeitsminister sagen, dass für die Zukunft eine Reform des Ehegattensplittings arbeitsmarktpolitisch auch geboten ist, um die Frauenerwerbsbeteiligung zu verbessern.« Auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang zeigte sich offen dafür: Die Grünen seien hier »gerne zum Gespräch bereit«.
Das Bundesfinanzministerium rechnete vor, dass die Abschaffung Familien und Paare jährlich mit rund 25 Milliarden Euro zusätzlich belasten würde. Auf Nachfrage räumte es ein, dass sich diese Zahl auf bestehende Ehen bezieht - die Klingbeil nicht gemeint hatte.
Grundsätzliche Kritik kam von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai: »Angesichts des Erscheinungsbildes der Koalition ist der Vorstoß des SPD-Vorsitzenden ein Rätsel«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. »Wer immer neue Vorschläge macht, die dem Koalitionsvertrag widersprechen, der provoziert immer wieder neu Widerspruch und Streit.«
Der Vize-Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer kündigte Widerstand an: »Eine Steuererhöhung für Ehepartner wird es nicht geben«, sagte er der dpa. Nach dem Koalitionsvertrag sollten nur die Steuerklassen des Ehegattensplittings reformiert werden. »Beide Ehepartner werden dann die Steuerklasse 4 haben, was die monatliche Steuerlast besser verteilt. Die jährliche Steuerlast bleibt aber auch mit dem neuen Modell gleich«, sagte Meyer. »Lars Klingbeil handelt mit seinem Vorschlag unsozial.«
Die Abschaffung des Splittings stehe nicht zur Debatte, sagte auch der familienpolitische Sprecher Matthias Seestern-Pauly der dpa: »Die FDP lehnt eine damit durch die Hintertür einzuführende Steuererhöhung für Familien aus der Mitte der Gesellschaft konsequent ab. Vor allem dann, wenn es erkennbar nur darum geht, die Budgetprobleme eines einzelnen Ministeriums auszugleichen.«
Ähnlich argumentierte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: »Die SPD-Pläne zur Abschaffung des Ehegattensplittings bedeuten Steuererhöhungen für Millionen von Familien und sind ein Angriff auf die breite Mitte der Gesellschaft«, sagte er der dpa. »Anstatt die Familien zu entlasten, diskutiert die Arroganz-Ampel nur noch darüber, wie man die Familien zusätzlich belastet.«
Was das Ehegattensplitting ist
Ehegattensplitting bezeichnet das Verfahren, nach dem Ehepaare und Lebenspartnerschaften besteuert werden, die keine Einzelveranlagung wählen. Dabei wird das gemeinsame Einkommen halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Das nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Den Staat kostet das laut Bundeszentrale für politische Bildung von 2020 jährlich 20 Milliarden Euro. Von der OECD und der EU-Kommission wurde Deutschland öfter für das Ehegattensplitting kritisiert - mit dem Argument, dass es Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalte.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßt Klingbeils Vorstoß. »Wer die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben und die partnerschaftliche Verteilung von Familienarbeit fördern will, kann das Ehegattensplitting nicht unangetastet lassen«, sagte die DGB-Vizevorsitzende Elke Hannack. Einschnitte beim Elterngeld lehne man ab.
Was beim Elterngeld geplant ist
Elterngeld erhalten bisher Paare, deren gemeinsam zu versteuerndes Einkommen unter 300.000 Euro liegt. Wegen der Sparauflagen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) für den Bundeshaushalt 2024 will Familienministerin Lisa Paus (Grüne) die Grenze auf 150 000 Euro senken.
Wie die FDP das findet
Der FDP-Vizevorsitzende Johannes Vogel nannte es am Sonntagabend in der ARD-Sendung »Anne Will« falsch, »wenn wir jetzt einfach das Elterngeld mit dem Rasenmäher abrasieren«. Er verwies auf einen Vorschlag aus seiner Partei, von den Paaren eine stärkere zeitliche Angleichung ihrer Elternmonate zu verlangen. Wenn das nicht geschieht, soll nur ein Partner Elterngeld erhalten. Darüber hinaus habe Paus auch »im Bereich der zahlreichen Förderprogramme noch ein gewisses Einsparpotenzial«, sagte Vogel.
Was die Ministerin davon hält
Paus wies dies in der Sendung zurück. »Wenn das mit der Partnerschaftlichkeit funktioniert, dann ist das keine Kürzung«, sagte sie. »Deswegen kann ich das auch nicht vorschlagen.« Alternative Sparmöglichkeiten wären nach ihren Worten nur Kürzungen beim Unterhaltsvorschuss für allein lebende Frauen, deren Partner seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, und beim Kinderzuschlag. Beides will sie nicht, wie Paus deutlich machte. Bei den freien Programmen kürze sie bereits.
»Ich bin offen für bessere Vorschläge - aber ich habe mir das angeschaut und bin unter all diesen schlechten Varianten zu der aus meiner Sicht besten Variante gekommen«, sagte Paus. »So werde ich das jetzt auch einbringen.«
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