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SPD setzt auf Diplomatie - »Keine rote Linie« für Panzer

Soll die Ukraine deutsche Leopard-Panzer bekommen? Die SPD-Fraktion will bei ihrer Klausur andere Akzente setzen. Im Entwurf für ein Positionspapier taucht das Wort Panzer nicht auf. Der Fokus: Diplomatie.

Rolf Mützenich
SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich bei der Klausur in Berlin. Foto: Kay Nietfeld
SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich bei der Klausur in Berlin.
Foto: Kay Nietfeld

Die SPD im Bundestag setzt auf diplomatische Initiativen, um zu einem Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine zu kommen. »Denn wir wissen: Kriege werden in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld beendet«, heißt es in einem Entwurf für ein Positionspapier der größten Regierungsfraktion, das auf der heute beginnenden Jahresauftakt-Klausur beschlossen werden soll.

»Auch wenn es aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Vertrauen mehr zur gegenwärtigen russischen Führung gibt, müssen diplomatische Gespräche möglich bleiben.« Deswegen seien auch die Telefonate von Kanzler Olaf Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin richtig und notwendig.

Zu Beginn der zweitägigen Beratungen bekannte sich Fraktionschef Rolf Mützenich aber auch zur weiteren militärischen Unterstützung der Ukraine - und schloss die Lieferung von Kampfpanzern nicht grundsätzlich aus. »Es gibt keine roten Linien«, sagte Mützenich zu der Panzer-Debatte. Man werde sich da eng mit den Bündnispartnern abstimmen. Die Ukraine müsse das bekommen, »was für das Selbstverteidigungsrecht wichtig ist«. Gleichzeitig dürfe Deutschland aber nicht in den Krieg verwickelt werden.

Lambrecht zu Kampfpanzern: »Diese Entscheidung ist nicht getroffen«

Polen hatte sich am Mittwoch bereit erklärt, zusammen mit Bündnispartnern Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 in die Ukraine zu liefern. Deutschland hat der Ukraine bisher nur die leichteren und weniger schlagkräftigen Schützenpanzer vom Typ Marder zugesichert. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bekräftigte bei einem Truppenbesuch im sächsischen Marienberg, dass eine Kampfpanzer-Lieferung derzeit nicht auf der Tagesordnung stehe. »Diese Entscheidung ist nicht getroffen. Und deswegen stellt sich diese Frage auch darüber hinaus nicht.«

Kein Platz für Panzer im SPD-Positionspapier

In dem Entwurf für das SPD-Positionspapier kommt das Wort Panzer nicht ein einziges Mal vor. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass Deutschland der Ukraine bereits »im großen Umfang« Ausrüstung und Waffen geliefert habe. Stattdessen gibt es eine ausführliche Passage zu diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges.

»Wir müssen weiterhin jeden Versuch unternehmen, Russland zum Rückzug zu bewegen und gegenüber Russland eine ehrliche Bereitschaft zu einem gerechten Friedensschluss einfordern«, heißt es in dem neunseitigen Entwurf. Es wird darauf verwiesen, dass in »kleinen Teilbereichen« Verhandlungserfolge mit Russland erzielt werden konnten, zum Beispiel beim Gefangenenaustausch oder beim Getreideexport über das Schwarze Meer. Es gelte, auf diesen Ansätzen aufzubauen, etwa im Bereich der Rüstungskontrolle.

Ukrainische Regierung sieht keinen Sinn in Verhandlungen

Die ukrainische Regierung steht diplomatischen Initiativen skeptisch gegenüber. Sie sieht keinen Sinn in Verhandlungen mit Russland, solange nicht alle Truppen von ihrem Staatsgebiet abgezogen sind - einschließlich der bereits 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Die Russland-Politik der SPD vor dem Ukraine-Krieg war in den vergangenen Monaten scharf kritisiert worden. Im Wahlprogramm der SPD von 2021 steht noch der Satz: »Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben.« Nun will die Partei ihre Haltung neu definieren. Beim Parteitag Ende 2023 soll ein neues außen- und sicherheitspolitisches Konzept beschlossen werden.

SPD-Chef Lars Klingbeil hatte im Oktober mehrere Fehleinschätzungen seiner Partei in der Russland-Politik der letzten Jahrzehnte eingestanden. In einer Grundsatzrede sprach er sich für ein grundsätzliches Umdenken aus. »Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren«, sagte der Parteivorsitzende. »Russland hat sich aus dem System der gemeinsamen Sicherheit und der gemeinsamen Werteordnung verabschiedet. Unsere Sicherheit muss ohne Russland funktionieren.«

Vertrauensbildung mit Russland bei Kehrtwende im Krieg denkbar

In dem Entwurf für das Positionspapier der Fraktion ist der Zungenschlag ein anderer. Zwar heißt es dort, dass Russland als Aggressor auftrete, dem mit konsequenter Abschreckung begegnet werden müsse. Allerdings werde Russland auch in Zukunft ein Land mit erheblicher Fläche, Bevölkerung und militärischer Stärke auf dem europäischen Kontinent sein. »Dies wird auf lange Sicht für die Gestaltung der europäischen Sicherheitsarchitektur relevant sein.«

Die Autoren des Papiers können sich bei einer »fundamentalen Abkehr vom verbrecherischen Angriffskrieg Russlands« auch wieder vertrauensbildende Maßnahmen mit dem Land vorstellen. »Wenn eine ernsthafte Bereitschaft hierzu erkennbar sein sollte, könnte eine Politik der kleinen Schritte, die in überschaubaren Bereichen Initiativen zur Vertrauensbildung startet und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit überprüft wird, ein diplomatischer Ansatz sein.«

Melnyk: »Kriege werden fast immer auf dem Schlachtfeld entschieden«

Aus der Fraktion hieß es, der Entwurf für das Positionspapier sei mit der Parteiführung abgestimmt. Aus Kiew kam bereits eine erste Reaktion. Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk widersprach der Einschätzung, dass Kriege in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld entschieden würden. »Kriege werden fast immer auf dem Schlachtfeld entschieden. Deutschland sollte das besser wissen«, schrieb der frühere Botschafter in Berlin auf Twitter.

© dpa-infocom, dpa:230112-99-188971/3