Die SPD-Fraktion im Bundestag setzt sich für eine Aufhebung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen ein. Ein entsprechendes Positionspapier segneten die Abgeordneten bei ihrer Fraktionssitzung ab. Darin ist festgehalten, dass Abtreibung aus Sicht der SPD-Fraktion künftig generell nicht mehr strafbar sein sollte. Gleichwohl solle es dafür aber weiterhin »klare gesetzliche Voraussetzungen« geben, heißt es in dem Papier, das der dpa vorliegt. Die Grünen unterstützen den Vorstoß, aus der Union gibt es heftige Kritik.
Schwangerschaftsabbrüche sind bisher laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Tatsächlich bleibt ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird. Über die Abschaffung des Paragrafen wird seit Jahren gestritten. Zuletzt hatte eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission empfohlen, Abtreibungen in den ersten Wochen der Schwangerschaft zu entkriminalisieren.
SPD-Vorschlag: Legalisierung bis zu einer bestimmten Frist
»Schwangerschaftsabbrüche sollen bis zu einer gesetzlich zu bestimmenden konkreten Frist legalisiert werden«, schlagen nun auch Politikerinnen und Politiker der SPD-Fraktion vor. Wie weit diese über die zwölf Wochen hinausgehen soll, steht nicht in ihrem Papier. Da heißt es: »Wir sprechen uns für eine Frist aus, die an der Überlebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Uterus mit ausreichend zeitlichem Abstand anknüpft.« Sobald im Einzelfall eine Überlebenschance außerhalb des Mutterleibs bestehe, müsse ein Abbruch grundsätzlich verboten sein.
Für einen Schwangerschaftsabbruch nach Ablauf der gesetzlichen Frist sollten aus Sicht der SPD-Abgeordneten nur Ärztinnen und Ärzte, nicht aber Schwangere strafrechtlich belangt werden können. Um Abbrüche ohne Zustimmung der Schwangeren zu sanktionieren, solle ein zusätzlicher Straftatbestand geschaffen werden. Ferner setzen sich die Abgeordneten dafür ein, dass die aktuell geltende Pflicht für ungewollt Schwangere, sich vor einem Abbruch beraten zu lassen, wegfällt. Die Beratungspflicht solle durch einen Rechtsanspruch auf Beratung ersetzt werden, heißt es in dem Papier.
Unterstützung von den Grünen
Auch die Grünen unterstützen den Vorstoß. »Wir wollen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken und setzen uns schon lange für eine differenzierte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches ein«, erklärten Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink und die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws. Gleichzeitig müsse das Schutzniveau für das werdende Leben je nach Phase der Schwangerschaft gewahrt werden. Die Grünen strebten gesetzliche Änderungen noch in dieser Legislaturperiode an.
Zurückhaltung im FDP-geführten Justizministerium
Ob es tatsächlich dazu kommt, ist indes unklar. Im FDP-geführten Bundesjustizministerium scheint die Motivation, den damals zum Schwangerschaftsabbruch gefundenen Kompromiss jetzt aufzuschnüren, nicht allzu groß zu sein. Das Ministerium werte gegenwärtig den Bericht der Kommission sorgfältig aus, sagte eine Sprecherin der dpa. »Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Schwangerschaftsabbrüchen«, fügte sie hinzu. Den Bericht hatte die Kommission bereits Mitte April vorgelegt. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Katrin Helling-Plahr, hatte damals erklärt, an den bisherigen Regelungen festhalten zu wollen.
Kritik von Caritas und Union
Auch der Caritas-Verband äußerte sich kritisch zum Vorstoß der Sozialdemokraten - insbesondere zu dem Vorschlag, die Beratungspflicht künftig abzuschaffen. »Die SPD plant ernsthaft ein Aussetzen der Beratungspflicht für ungewollt schwangere Frauen. Das enttäuscht uns sehr«, erklärte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Die Beratungspflicht habe sich »für alle Beteiligten bewährt«, weil sie Betroffenen verlässlich Zugang zu allen wichtigen Informationen ermögliche. Auch für Ärztinnen und Ärzte sei der Beratungsschein ein wichtiges Indiz, dass die Frau sich aus freiem Willen für eine Abtreibung entschieden habe.
Der Verband regt an, stattdessen den Zugang zu Verhütungsmitteln zu verbessern und die Kostenerstattung von Abtreibungen für betroffene Frauen zu erleichtern. Bislang müssen sie die Kosten entweder selber tragen oder einen Antrag auf staatliche Kostenübernahme stellen. Wegen der bisherigen Strafbarkeit werden Abbrüche bislang nicht von den Krankenkassen übernommen.
Kritik kam auch aus der Unionsfraktion. "Die Beratungspflicht ist das einzig unmittelbare Schutzinstrument zugunsten des ungeborenen Kindes", sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Günter Krings. Dabei sei auch die Verortung im Strafgesetzbuch von Bedeutung, von der Abbrüche in den ersten zwölf Wochen bei Einhaltung von Beratungs- und Wartepflicht bereits heute ausdrücklich ausgenommen seien. "Dieses Schutzniveau darf nicht weiter unterschritten werden", betonte Krings. Stichtage zum Schwangerschaftsabbruch könnten nicht nach Belieben hin und her verschoben werden".
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