BERLIN. Kurz vor der Unterzeichnung einer Impfverordnung durch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) haben Vertreter von Ärzten und Lehrern schnelle Impfungen für ihre Berufsgruppen gefordert.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, machte sich vor allem für die Praxisärzte stark. »Sie behandeln nicht nur in großer Zahl Hochrisikopatienten, sie stehen auch bei der Versorgung von Corona-Infizierten in der ersten Reihe. Trotzdem rangieren sie auf der Prioritätenliste für die Schutzimpfungen bisher weiter unten«, sagte Reinhardt der »Rheinischen Post«. Das sei für die Bewältigung der Pandemie riskant, »denn die Praxen bilden einen wichtigen Schutzwall für die ohnehin schon stark belasteten Kliniken«. Krankheitsbedingte Ausfälle müssten vermieden werden.
»Wenn wir natürlich weiterhin die Priorisierung des Bildungssystems und auch den Fokus der Offenhaltung von Schulen haben, dann muss man sich darüber verständigen, ob die Eingruppierung der Lehrkräfte jetzt in die Impfgruppe 4 weiter so belassen werden kann oder ob man hier noch mal neu diskutieren muss«, sagte derweil der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, am Donnerstag im Deutschlandfunk.
Die Verordnung zur Reihenfolge der sogenannten Impfpriorisierung basiert auf einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut. Demnach sollen zunächst Ältere über 80 Jahre und Pflegeheimbewohner zum Zuge kommen können. Mit in der ersten Stufe geimpft werden sollte medizinisches Personal mit sehr hohem Ansteckungsrisiko etwa in Notaufnahmen oder der Behandlung von Corona-Patienten sowie Personal in der Altenpflege. Angesichts anfangs nur begrenzter Mengen an Impfdosen sollten diese genutzt werden, um die Zahl schwerer Krankheitsverläufe und Sterbefälle möglichst schnell zu reduzieren.
Zur Stufe 2 mit 7 Millionen Menschen gehören Ältere zwischen 75 und 79 Jahren, Menschen mit Demenz oder einer geistigen Behinderung in Einrichtungen und dort tätiges Personal sowie Menschen mit Down-Syndrom. Auch die Hausärzte gehören zu dieser Stufe. Lehrer und Erzieherinnen sind in Stufe 4 aufgelistet.
Minister Spahn will die Impfverordnung als Rechtsgrundlage für die Priorisierung heute unterzeichnen. In einer Pressekonferenz um 11.00 Uhr will der CDU-Politiker dann darüber informieren, welche Personengruppen zuerst geimpft werden sollen.
Am Donnerstag machte Spahn noch einmal deutlich, dass es dauern wird, bis alle Zugang zur Impfung erhalten: »Wer nicht über 80 ist und nicht im Alten- oder Pflegeheim ist, muss sich noch ein Stück gedulden«, sagte er der »Welt«. »Also bitte nicht am 27. (Dezember) dann alle schon irgendwie versuchen, einen Termin zu kriegen und zu ordern. Wir fangen erstmal an mit den Höchstbetagten und Gefährdeten.«
Die Zulassung des Impfstoffes der Firmen Biontech und Pfizer durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA wird für kommenden Montag erwartet. Die EU-Kommission will dann bis Mittwoch über die Zulassung entscheiden. Danach müssen nach Angaben Spahns vom zuständigen Paul-Ehrlich-Institut noch die Impfchargen geprüft, freigegeben und schließlich ausgeliefert werden. Beginnen sollen die Impfungen dann am 27. Dezember.
Die Lage in den deutschen Kliniken blieb am Donnerstag angespannt. Die Zahl der Corona-Patienten auf Intensivstationen stieg auf 4856, also 20 mehr als am Vortag, wie der Tagesreport der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) am Donnerstag zeigte. 57 Prozent von ihnen werden demnach invasiv beatmet. Anfang Dezember lag die Zahl der Covid-19-Fälle, die auf Intensivstationen behandelt wurden, noch bei unter 4000.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing rief die Menschen angesichts der aktuellen Pandemielage dazu auf, die Kontakte auch an Weihnachten auf das Nötigste zu beschränken. »Es ist nicht entscheidend, wie viele Kontakte erlaubt sind, entscheidend ist, ob die Kontakte überhaupt nötig sind und dass die Abstands- und Hygieneregeln konsequent eingehalten werden«, sagte Wissing der »Rheinischen Post«. »Man sollte sich auch an Weihnachten nur mit den Menschen treffen, denen man im Alltag ohnehin begegnet.«
Die Bundesregierung erwägt einem Bericht zufolge derweil eine zentrale Gedenkveranstaltung für die Corona-Opfer. »Auch der Bundesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, ein Zeichen zu setzen, dass die Verstorbenen nicht vergessen sind und das Leid der Betroffenen gewürdigt wird«, sagte ein Regierungssprecher den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Angedacht wurde bisher etwa die Ausrichtung einer zentralen Gedenkveranstaltung.« Aufgrund der derzeitigen Pandemielage sei aber noch nicht mit einer konkreten Planung begonnen worden. (dpa)