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Spahn sieht »Ruhe vor dem Sturm« - Debatte über Ende der Auflagen

Der Bevölkerung wird viel zugemutet, um das Coronavirus in Schach zu halten. Die allermeisten finden die weitreichenden Kontaktsperren sinnvoll. Gesundheitsminister Spahn schwört auf weitere Anstrengungen ein.

Jens Spahn
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Foto: Michael Kappeler/dpa/Archiv
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Foto: Michael Kappeler/dpa/Archiv

BERLIN. Im Kampf gegen das Coronavirus geht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) von weiter steigenden Belastungen für Ärzte und Pfleger aus. »Noch ist das die Ruhe vor dem Sturm«, sagte Spahn am Donnerstag in Berlin. »Keiner kann genau sagen, was in den nächsten Wochen kommt.« Daher sei es weiterhin nötig, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Neue Maßnahmen gibt es vorerst nicht - stattdessen laufen in der Regierung erste Planungen für die Zeit nach dem weitgehenden Stillstand des öffentlichen Lebens. Trotzdem wird davor gewarnt, verfrüht eine Lockerung der Kontaktsperren zu fordern.

Wann Deutschland schrittweise zum normalen Alltag zurückkehren könne, könne derzeit niemand seriös sagen, sagte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. »Das ist keine Frage des Zeitpunkts, sondern eine Frage von Fakten. Das ist auch keine Frage des Gefühls, wann es irgendwann genug ist.« Vor allem in der Wirtschaft waren zuletzt Stimmen laut geworden, die Auszeit dürfe nicht mehr allzu lange anhalten. Die Bundesregierung müsse eine Strategie für ein schnelles Durchstarten der Unternehmen nach der Corona-Krise entwickeln.

Zum jetzigen Zeitpunkt könne man nicht sicher sagen, ob sich die Infektionsdynamik abgeschwächt habe oder nicht, erläuterte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. »Manche Städte und Landkreise haben es geschafft, größere Ausbruchsgeschehen auch unter Kontrolle zu bekommen.« Diese Ausbrüche seien teilweise in Zusammenhang mit Festen oder Reisen aufgetreten. »Warum immer noch Feste gefeiert werden, ist mir unverständlich«, betonte der Wissenschaftler.

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sieht keinen Grund, schon jetzt über Lockerungen der Kontaktsperren zu diskutieren. »Ich will ganz klar sagen, dass wir nach Rücksprache mit Medizinern keine Entwarnung geben können, und dass ich auch jegliche Debatte über Lockerungen von Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt absolut als zu früh empfinde«, sagte sie in Schwerin.

Schwesig reagierte damit auch auf Äußerungen von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), der in der Social-Media-App Jodel angekündigt hatte, dass die strengen Kontaktbeschränkungen später einmal zunächst für junge und gesunde Menschen wieder gelockert werden könnten. Abhängig sei dies jedoch von der Infektionskurve, hatte Braun betont.

Vorerst rechnen fast zwei Drittel der Deutschen sogar mit weiteren Einschränkungen der persönlichen Freiheit. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur äußerten 64 Prozent die Erwartung, dass die Maßnahmen zur Vermeidung zwischenmenschlicher Kontakte noch einmal verschärft werden. Nur 20 Prozent glauben nicht daran. Die Akzeptanz der Maßnahmen ist der Umfrage zufolge riesig.

Das Corona-Krisenkabinett der Bundesregierung verständigte sich zunächst nicht auf weitere Maßnahmen wie etwa eine generelle Verpflichtung zur häuslichen Quarantäne nach Einreise aus einem Nicht-EU-Staat. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr, stieß ein entsprechender Vorschlag aus dem Innenministerium auf wenig Resonanz und wurde deshalb nicht auf die Tagesordnung des Kabinetts gesetzt.

Spahn berichtete, die Bundesregierung arbeite an Konzepten für »eine Zeit nach Corona«, in der man weiter gegen das Virus kämpfe, das öffentliche Leben aber schrittweise normalisiere. Dies solle auch bei Beratungen nach Ostern zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten Thema sein. Dabei solle auch darüber diskutiert werden, wie Handydaten im Krisenfall für die Klärung von Infektionsketten zu nutzen seien, machte Spahn deutlich. Die FDP warnte vor einem Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung.

Bund und Länder hatten sich am Sonntag auf einen Neun-Punkte-Plan verständigt, der zwischenmenschliche Kontakte minimieren soll, um die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus zu vermindern. Für zunächst zwei Wochen sind öffentliche Ansammlungen von mehr als zwei Personen weitgehend verboten. Wie die Vereinbarung konkret umgesetzt wird, ist Sache der einzelnen Bundesländer.

In der YouGov-Umfrage gaben 83 Prozent der Befragten an, dass sie sich vollständig an die beschlossenen Regeln halten, 12 Prozent zum Teil. Nur 2 Prozent sagten, dass sie die neuen Regeln gar nicht befolgen. Je älter die Befragten sind, desto eher halten sie sich nach eigenen Angaben an die Kontaktsperre.

Der Gesundheitsminister bekräftigte, dass Deutschland Krankenhäuser und Ärzte wegen sehr vieler Tests früh auf das Virus habe vorbereiten können. Die Kapazität liege mit 300 000 bis 500 000 Tests pro Woche im internationalen Vergleich sehr hoch.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warb um Verständnis dafür, dass Coronavirus-Tests nur bei Menschen mit Krankheitssymptomen vorgenommen werden. Man habe zwar große Kapazitäten, sie reichten aber nicht, »um 83 Millionen einfach mal eben durchzutesten«, sagte der Bundesvorsitzende Andreas Gassen. Pro Woche könnten bei den Ärzten mehr als 250 000 Verdachtsfälle getestet werden, das lasse sich voraussichtlich noch bis auf 360 000 steigern. Daneben gibt es auch Tests etwa von Kliniken.

Spahn räumte ein, die Beschaffung von Schutzausrüstung sei nicht leicht. »Es sind in den letzten Tagen täglich Masken ausgeliefert worden«, betonte er. (dpa)