Die Nato bereitet sich auf das Szenario einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidentenamt vor. Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Außenministertreffen ankündigte, soll beim nächsten Gipfel im Juli entschieden werden, bislang von den USA übernommene Aufgaben zur Unterstützung der Ukraine auf das Bündnis zu übertragen.
Die Mitgliedsstaaten hätten sich darauf verständigt, konkrete Pläne für eine größere Koordinierungsrolle erarbeiten zu lassen, erklärte Stoltenberg. Zudem will der Norweger die Länder des Bündnisses dazu bewegen, der Ukraine für die kommenden fünf Jahre über die Nato militärische Unterstützung im Wert von 100 Milliarden Euro zuzusagen.
Hintergrund ist die Sorge, dass die Vereinigten Staaten ihr Engagement für die Ukraine stark reduzieren oder sogar einstellen könnten, wenn im November der Republikaner Trump die Präsidentenwahl gewinnen sollte. Nach Angaben des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban soll Trump ihm jüngst gesagt haben, es werde im Fall seiner Rückkehr ins Weiße Haus keinen einzigen US-Penny mehr für Waffenhilfen geben.
»Jede Verzögerung bei der Bereitstellung von Unterstützung hat derzeit Konsequenzen auf dem Schlachtfeld«, erklärte Stoltenberg mit Blick auf die jüngsten großen Angriffe Russlands auf die Ukraine. Es gehe deswegen darum, eine neue Dynamik zu schaffen und mehr auf feste mehrjährige Nato-Zusagen als auf freiwillige Beiträge zu setzen.
Fairere Lastenteilung
Konkret sehen die Vorschläge von Stoltenberg vor, dass sich die Nato künftig über eine »Nato Mission Ukraine« um die Koordination von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte kümmern soll. Derzeit liegt dieser Job in den Händen der USA, die dazu regelmäßig Treffen auf ihrem Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein oder zum Beispiel in Brüssel organisieren. Es gehe darum, die Unterstützung für die Ukraine auf eine festere und dauerhaftere Grundlage zu stellen, sagte Stoltenberg. Den Ukrainern gehe nicht der Mut aus, ihnen gehe die Munition aus, warnte er.
Auch der Vorstoß für das 100-Milliarden-Euro-Paket zielt darauf ab, die Last der Ukraine-Unterstützung auf mehr Schultern zu verteilen. Bislang zahlen die USA nach Angaben Stoltenbergs rund 50 Prozent der Militärhilfen für die Ukraine. Von den 100-Milliarden-Euro-Paket der Nato müssten sie nach dem Finanzierungsschlüssel des Bündnisses aus dem Jahr 2023 nur etwa 16 Prozent zahlen - genauso viel wie Deutschland. Große Mehrbelastungen könnten hingegen auf andere Länder wie Frankreich, Italien und Spanien zukommen. Sie leisten derzeit im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft vergleichsweise wenig Militärhilfe für die Ukraine.
Ob die Vorschläge Stoltenbergs umgesetzt werden können, wird sich in den kommenden Monaten bis zum Gipfeltreffen im Juli zeigen.
Baerbock warnt vor Zahlenjonglierei
Außenministerin Annalena Baerbock sagte mit Blick auf mögliche neue Koordinierungsaufgaben der Nato, für die Planung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten verlässliche und langfristige Strukturen zu schaffen, sei »richtig und wichtig«. Vergleichsweise kritisch äußerte sich die Grünen-Politikerin nur zu dem Vorschlag Stoltenbergs, der Ukraine über die Nato Militärhilfen im Wert von 100 Milliarden Euro zuzusichern. »Wichtig ist hier, dass wir die Prozesse zwischen EU und Nato nicht duplizieren«, sagte sie mit Blick auf bereits existierende Finanzierungsinstrumente der EU. Sie halte es nicht für sinnvoll, jetzt mit Zahlen zu jonglieren.
Am zweiten Tag des Außenministertreffens soll der 75. Geburtstag der Nato gefeiert werden. Das Verteidigungsbündnis war am 4. April 1949 in Washington als Reaktion auf die als bedrohlich wahrgenommene Politik der kommunistischen Sowjetunion gegründet worden. Im Kalten Krieg sollte das Verteidigungsbündnis der östlichen Militärmacht ein abschreckendes Gegengewicht entgegensetzen und zu Frieden und Sicherheit beitragen.
Der Nato-Generalsekretär zeigte sich überzeugt, dass das Bündnis dabei noch lange nicht an seine Grenzen gekommen ist. Auch die Ukraine werde Mitglied der Nato werden, sagte der Norweger mit Blick auf ein Gipfelbeschluss aus dem Jahr 2008. Die Frage sei lediglich, wann sie Mitglied werde, nicht ob.
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