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Serbiens Präsident Vucic heizt im Kosovo die Spannungen an

Gesperrte Grenzübergänge, von Militanten hochgezogene Barrikaden, Truppen in Alarmbereitschaft: Rund ums Kosovo steigen die Spannungen. Droht in Europas jüngstem Staat ein neuer bewaffneter Konflikt?

Aleksandar Vucic
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic will von der Schutztruppe KFOR die Genehmigung, serbisches Militär zurück ins Kosovo zu schicken. Foto: Darko Vojinovic
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic will von der Schutztruppe KFOR die Genehmigung, serbisches Militär zurück ins Kosovo zu schicken.
Foto: Darko Vojinovic

Vor dem Hintergrund anhaltender Spannungen ums Kosovo hat die Führung in Pristina den wichtigsten Grenzübergang nach Serbien nahe der Stadt Podujevo gesperrt. Der Schritt erfolgte, nachdem serbische Militante zuvor die Zufahrt auf der serbischen Seite der Grenze blockiert hatten. Wie Medien in Belgrad berichteten, wurden nahe der serbischen Ortschaft Merdare Lastwagen auf der Straße quergestellt, die zum Grenzübergang führt.

Es ist bereits der dritte Grenzübergang zwischen dem Kosovo und seinem nördlichen Nachbarn, der vorübergehend geschlossen werden musste. Schon vor fast drei Wochen hatten serbische Militante im Norden des Kosovos an den Straßen zu den Übergängen Brnjak und Jarinje Barrikaden errichtet. Auch an anderen Stellen in dem mehrheitlich von ethnischen Serben bewohnten Nord-Kosovo haben Militante inzwischen Straßen blockiert.

Präsident Vucic unterstützt Aktionen

Die Aktionen genießen die Unterstützung des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic. Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo gehörte früher zu Serbien und ist seit 2008 unabhängig. Serbien findet sich damit nicht ab und beansprucht das Territorium des Landes für sich. Das Gebiet nördlich der geteilten Stadt Mitrovica am Fluss Ibar ist nahezu ausschließlich von ethnischen Serben bewohnt und grenzt direkt an Serbien. Vucic ermuntert die Bewohner des Gebiets dazu, die Oberhoheit des kosovarischen Staates nicht anzuerkennen.

Vordergründig richten sich die Blockaden der Serben gegen die Verhaftung eines serbischstämmigen ehemaligen Beamten der Kosovo-Polizei. Nach Darstellung der kosovarischen Behörden soll er Angriffe auf Beamte der Wahlkommission angeführt haben. Hinter den Barrikaden stehen aber häufig Serben aus dem kriminellen und geheimdienstlichen Milieu und ihre Angehörigen.

Die jüngsten Spannungen hatten sich ursprünglich daran entzündet, dass die Regierung in Pristina die alten serbischen Kfz-Kennzeichen für ungültig erklärte, mit denen die meisten Bewohner in Nord-Mitrovica und Umgebung bis heute herumfahren. Auf Druck westlicher Botschaften setzte Ministerpräsident Albin Kurti die Umsetzung der entsprechenden Verordnung aus.

Vucic will Rückkehr des serbischen Militärs

Vucic scheint aber immer wieder Vorwände zu finden, die Spannungen ums Kosovo anzuheizen. Vor zwei Wochen verlangte er, dass das serbische Militär ins Kosovo zurückkehren solle. Dies müsste aber vom Kommando der knapp 4000 Mann starken, Nato-geführten Schutztruppe KFOR genehmigt werden. Vucic beantragte die Genehmigung, es gilt aber als ausgeschlossen, dass er sie erhält.

Die USA und die EU zeigten sich angesichts der angespannten Lage besorgt. »Wir rufen alle Beteiligten auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben«, teilten der Auswärtige Dienst der EU (EEAS) sowie das US-Außenministerium mit. Es sollten unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden, um die Situation zu deeskalieren und von Provokationen, Drohungen oder Einschüchterungen sollte Abstand genommen werden, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung. Man arbeite mit Präsident Vucic und Premierminister Kurti an einer politischen Lösung.

Serbische Sicherheitskräfte hatten im Krieg gegen die kosovarische Aufstandsmiliz UCK in den Jahren 1998/99 Zivilisten getötet und vertrieben. Die Nato griff daher im März 1999 ein und bombardierte das damalige Rest-Jugoslawien (Serbien und Montenegro). Die serbischen Sicherheitskräfte und die serbische Verwaltung mussten sich aus dem Kosovo zurückziehen. Bis zur Unabhängigkeitserklärung 2008 wurde das Land von der UN-Mission Unmik administriert.

Zu Wochenbeginn hatte Vucic die serbische Armee und Polizei in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Dabei muss das serbische Militär bis heute eine fünf Kilometer breite Pufferzone auf eigenem Gebiet entlang der Kosovo-Grenze respektieren, in die es nur mit KFOR-Genehmigung vordringen darf. Dies ist Teil der Vereinbarungen, die nach dem Ende der Nato-Intervention getroffen worden waren.

Kurti: Verhandeln nicht mit Kriminellen

Mit Kurti, der seit März 2021 im Kosovo regiert, hat Europas jüngster Staat einen Regierungschef, der seinerseits nicht vor Konfrontationen zurückschreckt. Der 47-Jährige hatte als kosovo-albanischer Dissident mehr als zwei Jahre in Serbien im Gefängnis gesessen. Er steht an der Spitze der Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung), die sich zur unbedingten Durchsetzung der Staatlichkeit des Kosovos, aber auch zu Reformen des teilweise korrupten Staatsapparates bekennt.

Die Barrikaden der Serben im Norden bezeichnet Kurti als illegal. »Die Institutionen des Staates werden nicht mit Kriminellen verhandeln, sondern sie verhaften«, sagte er nun nach einer Regierungssitzung. Der KFOR, die für die generelle Sicherheit im Land zuständig ist, gebe man »noch Zeit zum Handeln«, um die Barrikaden zu räumen. Diese Zeit laufe jedoch ab.

Ein Gericht in Pristina entließ überraschend den ehemaligen serbischen Polizeibeamten, wegen dessen Verhaftung die Barrikaden angeblich errichtet wurden, in den Hausarrest. Da im Kosovo Staatsanwaltschaften und Gerichte unabhängig von der Regierung sind, zeigte sich auch Kurti überrascht. »Ich bin gespannt, welcher Staatsanwalt das beantragt und welches Gericht das entschieden hat.« Zunächst war nicht klar, welche Auswirkungen die Gerichtsentscheidung auf die Aktionen der Serben im Norden haben würde.

Das Auswärtige Amt rät indes von nicht unbedingt notwendigen Reisen in die vier Gemeinden des Nord-Kosovos ab.

© dpa-infocom, dpa:221228-99-36363/4