Zum Jahrestag des Weltkriegsendes 1945 hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den aktuellen Abwehrkampf gegen Russland in die Tradition des Sieges über Hitler-Deutschland gestellt. Der Staatschef besuchte den Ort Jahidne im nordukrainischen Gebiet Tschernihiw, den Schauplatz eines mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechens 2022.
»Vor 80 Jahren kämpften Millionen von Ukrainern, um den Nazismus für immer zu besiegen«, sagte er in einer Videobotschaft, die dort aufgezeichnet wurde. »Doch heute stellen sich die Ukrainer erneut gegen das Böse, das wiedergeboren wurde, wiedergekommen ist und uns erneut vernichten will.«
In Jahidne hatte die russische Besatzung im März 2022 mehr als 350 Dorfbewohner, darunter 80 Kinder, über Wochen in den Keller der Schule gesperrt. Der Fall ist nicht nur durch ukrainische Angaben, sondern auch durch Recherchen internationaler Medien belegt. Selenskyj sagte, 10 Menschen seien in dieser Gefangenschaft gestorben und weitere 17 getötet worden. Für ihn zeige das Geschehen, wie Russland unter Wladimir Putin sei. »Wenn das nicht Nazismus ist, was ist es dann?«, fragte Selenskyj in dem sehr emotionalen Video.
Russland begeht den 9. Mai, den Jahrestag der Kapitulation Hitler-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg 1945, seit Jahren als pompösen Feiertag. Moskau versucht auch, den von Putin vor zwei Jahren befohlenen Angriffskrieg gegen die Ukraine als angebliche Fortsetzung im Kampf gegen den Faschismus darzustellen.
Kritik an andauernden Ölexporten
Selenskyj sagte, die Welt habe Hitler entschlossen Widerstand geleistet - und nicht etwa bei ihm Öl gekauft oder seine Amtseinführung besucht. Er spielte damit auf die andauernden russischen Ölexporte und Putins Amtseid im Kreml vom Vortag an.
Die ukrainische Armee habe Jahidne Ende März 2022 befreit, sagte Selenskyj. Er sieht darin ein Symbol, dass sich Geschichte wie beim Sieg über die Nazis wiederholen könne: »Jeder, der gekommen ist, um uns zu zerstören, wird schließlich aus dem ukrainischen Land fliehen.«
Weltkriegsgedenken: Tschechiens Präsident sieht »historisches Paradox«
Mit einem Gedenkakt erinnert auch Tschechien an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa und die Befreiung von der nationalsozialistischen Besatzung vor 79 Jahren. Präsident Petr Pavel würdigte in seiner Rede, dass das besiegte Nazi-Deutschland nach einer »tiefen Reflexion« zu einem demokratischen Land geworden sei, das sich für Frieden und Stabilität in Europa einsetze. Er bezeichnete es als ein »historisches Paradox«, dass Russland indes mit dem Krieg gegen die Ukraine selbst zu einem Aggressor geworden sei. Moskau habe auf dem europäischen Kontinent einen Krieg entfacht, der in seiner Zerstörungswut dem Zweiten Weltkrieg nicht nachstehe, sagte der Ex-General Pavel.
Der 8. Mai ist in Tschechien als Tag des Sieges ein gesetzlicher Feiertag, an dem große Geschäfte geschlossen bleiben müssen. An der Kranzniederlegung am Grab des unbekannten Soldaten auf dem Vitkov-Hügel in Prag nahmen neben Pavel auch Regierungschef Petr Fiala und die Präsidenten der beiden Parlamentskammern teil.
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