Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geht davon aus, dass der Krieg in seinem Land gegen den Angreifer Russland im kommenden Jahr beendet werden kann. »Entschlossenes Handeln jetzt kann ein faires Ende der russischen Aggression gegen die Ukraine im nächsten Jahr beschleunigen«, schrieb Selenskyj auf der Plattform X nach einem Treffen mit einer überparteilichen Delegation des US-Kongresses. »Unser Siegesplan wird dazu beitragen, Russland praktisch zum Frieden zu zwingen.«
Selenskyj will sein Vorhaben rund um den UN-Gipfel in New York in Gesprächen und möglicherweise auch öffentlichen Reden vorstellen. Damit will er sich zusätzliche politische und militärische Unterstützung der Verbündeten sichern. Einem Bericht der britischen »The Times« zufolge enthält der Plan die Forderung nach westlichen Sicherheitsgarantien ähnlich denen einer Nato-Mitgliedschaft. Zudem sollen nicht näher genannte Waffen und weitere Finanzhilfen angefordert werden.
Selenskyj soll heute an der Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Ukraine-Frage teilnehmen und am Mittwoch voraussichtlich in der UN-Generalversammlung sprechen. US-Präsident Joe Biden wird ihn zudem im Weißen Haus empfangen.
Selenskyj sagte nach dem Treffen mit der Delegation des US-Kongresses: »Jetzt, am Ende des Jahres, haben wir eine echte Chance, die Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und den Vereinigten Staaten zu stärken.« Er sei dem US-Kongress, beiden Parteien und Kammern, für ihr unerschütterliches Engagement dankbar.
»Putin wird niemals die Zukunft der Welt stehlen«
Selenskyj sagte bei seiner Rede auf dem Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen im UN-Hauptquartier in New York am Montag (Ortszeit), derzeit werde der zweite Friedensgipfel vorbereitet. Er lade alle Staats- und Regierungschefs und Nationen ein, die gemeinsamen Bemühungen um eine gerechte und friedliche Zukunft weiterhin zu unterstützen. »(Russlands Präsident Wladimir) Putin hat schon viel gestohlen, aber er wird niemals die Zukunft der Welt stehlen. Dessen bin ich mir sicher«, betonte Selenskyj.
Moskau lehnt eine Teilnahme an dem Friedensgipfel weiter ab. Im Juni hatten Dutzende Staaten ohne Russland und China an einem ersten Treffen in der Schweiz teilgenommen. Selenskyj plant ein zweites Treffen im November.
Scholz will Regeln für Einsatz deutscher Waffen nicht lockern
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte vor seinem Treffen mit Selenskyj, dass er die Regeln für den Einsatz deutscher Waffen im ukrainischen Abwehrkampf gegen Russland nicht weiter lockern wolle. Die Bundesregierung habe mit Blick auf die militärische Unterstützung der Ukraine »ein paar Entscheidungen« getroffen, »die für mich sehr klar sind«, sagte der SPD-Politiker. Dazu gehöre auch, dass Deutschland Reichweitenbeschränkungen nicht aufheben werde. »Das ist mit meiner persönlichen Haltung nicht vereinbar. (...) Wir werden das nicht machen. Und dafür haben wir gute Gründe.«
Selenskyj bittet die Verbündeten immer wieder um weitreichende Waffen, um russische Logistik und Militärflugplätze weit hinter der Frontlinie auf russischem Territorium angreifen zu können. Die weitreichendste von Deutschland gelieferte Waffe ist der Raketenwerfer Mars II, der Ziele in 84 Kilometern Entfernung treffen kann. Für ein begrenztes Gebiet rund um Charkiw hat die Bundesregierung den Einsatz dieser Waffe und der Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von 56 Kilometern auch gegen Ziele auf russischem Boden erlaubt.
Kremlchef Putin hat erklärt, dass er den Einsatz weitreichender westlicher Präzisionswaffen gegen Ziele tief auf russischem Territorium als Kriegsbeteiligung der Nato werten würde.
Selenskyj bedankt sich bei Deutschland
Der ukrainische Präsident stellte das Treffen mit Scholz trotz der Abfuhr bei den Raketen positiv dar. Er danke Deutschland für die Hilfe, schrieb er auf seinem Telegram-Kanal. Dabei nannte er vor allem Berlins Beitrag zur Friedenskonferenz in der Schweiz. Auf Scholz' Absage zu den Raketenlieferungen ging Selenskyj nicht explizit ein, er mahnte nur allgemein dazu, Einigkeit zu demonstrieren.
Kiew nennt Lage im Osten der Ukraine angespannt
Trotz des deutschen Nein setzt Kiew weiter auf die Freigabe von Waffen durch andere Partner. Mit ihnen will die Ukraine vor allem russische Flugzeuge am Boden zerstören, ehe sie Verteidigungsstellungen oder Städte in der Ukraine bombardieren.
Im Osten des Landes steht das ukrainische Militär nach eigenen Angaben weiter unter Druck. »Die Lage im Raum Pokrowsk und Kurachowe bleibt angespannt«, teilte der Generalstab in Kiew in seinem abendlichen Lagebericht mit. Von den insgesamt 125 russischen Angriffen entlang der Front seien mehr als 50 in diesem Abschnitt geführt worden.
Während den Ukrainern selbst von unabhängigen Beobachtern bescheinigt wird, den Vormarsch der Russen auf das strategisch wichtige Pokrowsk abgebremst zu haben, bleibt die Lage nahe dem weiter südlich gelegenen Kurachowe gefährlich für die Verteidiger. Durch Vorstöße russischer Truppen bei der Bergarbeiterstadt Hirnyk droht dort mehreren Einheiten die Einkesselung.
Eine ähnliche Umgehung der Verteidigungsstellungen deutet sich auch noch weiter südlich nahe der Stadt Wuhledar an, die die Russen in der Vergangenheit vergeblich durch frontale Sturmangriffe einzunehmen suchten.
Russische Angriffe aus der Luft
Am Abend und in der Nacht startete Russland zudem weitere Angriffe auf das ukrainische Hinterland. Luftalarm gab es in mehreren ukrainischen Regionen. Im südukrainischen Gebiet Saporischschja wurde nach Behördenangaben ein Objekt der kritischen Infrastruktur getroffen. Zudem sei ein Geschoss in einem Wohnhaus eingeschlagen, eine Person ums Leben gekommen und zwei weitere seien verletzt worden, schrieb der Militärgouverneur von Saporischschja.
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