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Schweden und Finnland nehmen klaren Kurs auf die Nato

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine treibt Schweden und Finnland in die Arme der Nato. Die nordischen Länder hoffen auf ein schnelles Beitrittsverfahren. Doch sicher ist die Aufnahme nicht.

Nato
Das finnische Parlament hat den Weg für einen Nato-Mitgliedschaftsantrag freigemacht. Foto: Antti Aimo-Koivisto
Das finnische Parlament hat den Weg für einen Nato-Mitgliedschaftsantrag freigemacht.
Foto: Antti Aimo-Koivisto

Schweden und Finnland nehmen vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gemeinsam Kurs auf die Nato.

Am Mittwoch wollen die nordischen Länder ihre Mitgliedsanträge bei der Nato einreichen. Sie geben damit ihre lange Tradition der militärischen Bündnisfreiheit auf. Doch die Türkei droht, die Nato-Norderweiterung mit einem Veto zu blockieren.

Russland spielte die Folgen eines möglichen Nato-Beitritts der nordischen Länder am Dienstag herunter. »Finnland, Schweden und andere neutrale Länder nehmen seit vielen Jahren an Nato-Militärübungen teil, die Nato berücksichtigt ihr Territorium bei der militärischen Planung der Bewegung nach Osten«, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow. »Daher gibt es in diesem Sinne wahrscheinlich keinen großen Unterschied.« Russland werde die Situation beobachten und dann Schlussfolgerungen ziehen. Zuvor hatte der Kreml dem Westen vorgeworfen, einen diplomatischen, wirtschaftlichen und politischen Krieg gegen Russland zu führen.

Russlands Aggression in neuer Dimension

Mit Blick auf die veränderte Sicherheitssituation Finnlands nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatte der außenpolitische Ausschuss im finnischen Parlament einen Nato-Mitgliedsantrag des Landes am Dienstag dringend empfohlen. »Russlands langjährige aggressive Politik und das Ziel, Europa in neue Einflusssphären zu teilen, hat nach der Invasion des Landes in die Ukraine eine neue Dimension angenommen«, hieß es in einer Mitteilung des finnischen Parlaments zu dem sicherheitspolitischen Bericht. Es würde Finnlands Sicherheit einschränken, darauf nicht zu antworten. Finnland hat eine mehr als 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland.

In einer Parlamentsdebatte in Finnland äußerten mehrere Abgeordnete am Dienstag die Befürchtung, das Land könnte einer möglichen militärischen Aggression ohne die Nato schutzlos ausgeliefert sein. In Finnland sitzt das kollektive Trauma aus dem Winterkrieg 1939 noch tief, als sowjetische Truppen in das Land einmarschierten.

Bei einem Votum sprach sich das finnische Parlament am Dienstag mit einer überwältigenden Mehrheit von 188 zu 8 Stimmen für einen Nato-Mitgliedsantrag aus. Außenminister Pekka Haavisto unterzeichnete den Antrag am Abend offiziell. Seine schwedische Amtskollegin Ann Linde hatte die Bewerbung ihres Landes bereits am Dienstagmorgen unterschrieben.

Stärkung des gesamten Ostseeraums erhofft

Die Beziehungen Finnlands und Schwedens seien noch nie so eng gewesen wie jetzt, sagte Finnlands Präsident Sauli Niinistö am Dienstag im schwedischen Parlament. Niinistö war zuvor zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Stockholm eingetroffen. Eine finnische und schwedische Nato-Mitgliedschaft werde den gesamten Norden und den Ostseeraum stärken. »Wir hoffen, dass uns alle Mitgliedsstaaten kräftig unterstützen«, sagte Niinistö. Er hoffe auf eine schnelle Ratifizierung. Dem Beitritt der nordischen Länder müssen alle 30 Nato-Mitglieder zustimmen.

Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte die Anträge am Dienstag als »historischen Schritt für das Verteidigungsbündnis und für Europa« und erklärte, er wolle sich für ein zügiges Aufnahmeverfahren einsetzen.

Währenddessen droht die Türkei weiter, das Aufnahmeverfahren der beiden Länder zu blockieren. Präsident Recep Tayyip Erdogan will dem Beitritt nur gegen Zugeständnisse zustimmen. Er begründet dies offiziell mit der angeblichen Unterstützung der Nordländer für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien.

Spielen Waffengeschäfte eine Rolle?

Nach Angaben von Diplomaten könnten neben Erklärungen der Finnen und Schweden zum Kampf gegen den Terrorismus auch Waffengeschäfte eine Rolle spielen. So will die Türkei in den USA F-16-Kampfjets kaufen - in Washington ist ein möglicher Deal aber politisch umstritten.

Die Hoffnung ist nun, dass bis Donnerstag angesetzte Gespräche des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu in New York Bewegung in den Streit bringen könnten. Cavusoglu will sich dort unter anderem mit seinem US-Kollegen Antony Blinken treffen.

Sollte die Türkei ihre Vorbehalte gegen einen Nato-Beitritt aufgeben, dürfte alles ganz schnell gehen. Bereits im Juni könnten dann die sogenannten Beitrittsprotokolle unterzeichnet werden und in den Mitgliedstaaten die Ratifizierungsverfahren beginnen. Im Idealfall wären Finnland und Schweden bis Ende des Jahres Nato-Mitglieder. Sollte Ankara allerdings hart bleiben, wäre das Bündnis machtlos, da für alle Entscheidungen das Konsensprinzip gilt.

Stoltenberg: Türkei »geschätzter Bündnispartner«

Im Ringen um eine Zustimmung der Türkei rief Generalsekretär Jens Stoltenberg dazu auf, die Forderungen Ankaras ernst zu nehmen. »Die Türkei ist ein geschätzter Bündnispartner und alle Sicherheitsbedenken müssen angegangen werden«, teilte er am späten Montagabend nach einem Gespräch mit Cavusoglu mit.

Ähnlich äußerte sich am Dienstag Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Auf Nachfrage ließ sie aber offen, ob die Bundesregierung zu Zugeständnissen bereit wäre. So kritisiert Ankara, dass die vorige Bundesregierung nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien 2019 Rüstungsexporte teilweise gestoppt hatte.

Finnlands Präsident Sauli Niinistö gab sich am Dienstag in Bezug auf eine Einigung mit Ankara zuversichtlich. »Die Aussagen der Türkei haben sich in den letzten Tagen schnell geändert und verhärtet. Aber ich bin mir sicher, dass wir die Situation mit Hilfe von konstruktiven Gesprächen lösen können«, sagte Niinistö in Stockholm.

Am Donnerstag will der finnische Präsident gemeinsam mit Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson nach Washington reisen, um mit US-Präsident Joe Biden über den möglichen Nato-Beitritt der beiden Länder zu sprechen.

© dpa-infocom, dpa:220516-99-306483/20