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Schutz jüdischen Lebens: Suche nach Strafbarkeitslücken

Die Justizminister sehen ihre Aufgabe darin, »die rechtliche Bewältigung des Terrors der Hamas und seiner Auswirkungen auch in Deutschland bestmöglich zu gewährleisten«. Sind dafür gesetzliche Änderungen nötig?

Justizministerkonferenz in Berlin
Felor Badenberg (l-r, parteilos), Berliner Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, spricht nach der Konferenz der Justizminister und -senatoren der Bundesländer während einer Pressekonferenz. Neben ihr sitzen Anna Gallina (Bündnis 90/Die Grünen), Hamburgs Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, und Georg Eisenreich (CSU), Staatsminister der Justiz in Bayern. Foto: Soeren Stache/DPA
Felor Badenberg (l-r, parteilos), Berliner Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, spricht nach der Konferenz der Justizminister und -senatoren der Bundesländer während einer Pressekonferenz. Neben ihr sitzen Anna Gallina (Bündnis 90/Die Grünen), Hamburgs Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, und Georg Eisenreich (CSU), Staatsminister der Justiz in Bayern.
Foto: Soeren Stache/DPA

Die Justizministerkonferenz will prüfen, wie Jüdinnen und Juden in Deutschland womöglich besser vor antisemitischen Anfeindungen geschützt werden könnten. In einem Beschluss halten die Justizministerinnen und Justizminister der Länder fest, das Strafrecht müsse den Gefährdungen des öffentlichen Friedens, die sich aus der Leugnung des Existenzrechts des Staates Israels ergeben könnten, ausreichend Rechnung tragen.

»Sollten sich insbesondere in Ermittlungs- und Strafverfahren Schutzlücken im Hinblick auf das Existenzrecht Israels und den Schutz jüdischen Lebens, wie auch für den Erhalt des öffentlichen Friedens in Deutschland, offenbaren«, wollen die Ressortschefs der Länder »schnellstmöglich gemeinsam mit dem Bundesminister der Justiz Vorschläge zur Behebung dieser Lücken erarbeiten«, heißt es in dem Beschluss weiter. Derzeit hat Berlin den Vorsitz der Justizministerkonferenz inne.

Der zu der Konferenz als Gast eingeladene Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßte die Initiative zwar grundsätzlich. Er zeigte sich dennoch etwas enttäuscht und sagte, er hätte sich »klarere Arbeitshinweise« gewünscht für Polizisten, die bei Demonstrationen handeln müssten, bei denen entsprechende Parolen gerufen würden. Solche konkreten Handlungsanweisungen seien nicht Aufgabe der Justizminister, sondern beträfen die Innenminister, hieß es von den Konferenzteilnehmern.

Der israelische Botschafter, Ron Prosor, sagte, die Meinungsfreiheit sei ein wichtiges Gut. Doch wenn Molotow-Cocktails auf Synagogen geworfen und Davidsterne auf von Juden bewohnte Häuser geschmiert würden, sei das »eine rote Linie, die man überquert hat«.

Antisemitische Vorfälle nach 7. Oktober

Anlass der Initiative der Justizminister waren antisemitische Vorfälle nach dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober. Die Bilder von Menschen, die in Deutschland den Hamas-Terror bejubelt hätten, seien »schwer erträglich und beschämend« gewesen, sagte die Vorsitzende der Konferenz, Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos). In dem einstimmig gefassten Beschluss heißt es, die Hamas trage neben der Verantwortung für den terroristischen Angriff auch »die Verantwortung für zahlreiche tote Zivilistinnen und Zivilisten, darunter auch viele Kinder in Gaza«.

Der Deutsche Richterbund (DRB) erklärte, der Rechtsstaat trete bereits jetzt »antisemitischer Hetze auf den Straßen und im digitalen Raum mit aller Entschlossenheit entgegen«. Mit ihrer geplanten Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das die Hürden für die Einbürgerung insgesamt senken soll, will die Ampel-Koalition künftig sicherstellen, dass Antisemiten nicht Deutsche werden. Grundsätzlich prüfen die Einbürgerungsbehörden in den Ländern, ob die Voraussetzungen für eine Einbürgerung vorliegen. Hierbei orientieren sie sich an Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums.

In Bayern wird der bei propalästinensischen Demonstrationen oft verwendete Slogan »From the river to the sea« (»Vom Fluss bis zum Meer«) künftig strafrechtlich verfolgt. Die Generalstaatsanwaltschaft München teilte auf Anfrage mit, die neue rechtliche Bewertung gehe auf die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums zur Terrororganisation Hamas sowie zum Verein Samidoun nach dem Angriff der Hamas auf Israel zurück. Zuerst hatte die »Süddeutsche Zeitung« berichtet. Noch im August hatte das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die Parole allein nicht per se strafbar ist.

Mit ihrer geplanten Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das die Hürden für die Einbürgerung insgesamt senken soll, will die Ampel-Koalition künftig sicherstellen, dass Antisemiten nicht Deutsche werden. Grundsätzlich prüfen die Einbürgerungsbehörden in den Ländern, ob die Voraussetzungen für eine Einbürgerung vorliegen. Hierbei orientieren sie sich an Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums.

Schon jetzt muss die Behörde, die über einen Einbürgerungsantrag zu entscheiden hat, beim Bundesamt für Justiz nachfragen, ob Verurteilungen vorliegen. Verurteilungen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen getilgt sind, werden bei der Entscheidung über die Einbürgerung nicht berücksichtigt. Die Länge der Tilgungsfrist hängt von der Höhe der strafrechtlichen Verurteilung ab und beträgt mindestens fünf Jahre. Neu ist in dem Entwurf von SPD, Grünen und FDP, dass die Einbürgerungsbehörde bei Verurteilungen wegen bestimmter Straftaten zusätzlich erfragen muss, »ob im Rahmen des Urteils antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtende Beweggründe« festgestellt wurden.

Bayern plant Bundesratsinitiative

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sagte, sein Bundesland plane eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel, künftig auch sogenannte Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen unter Strafe zu stellen. Einen entsprechenden Vorschlag der Union hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Oktober mit der Begründung zurückgewiesen, das Verbrennen israelischer Flaggen, Spendensammlungen für die Hamas und die »Billigung von Straftaten« könnten jetzt schon bestraft werden. Wichtiger als das Schließen vermeintlicher Strafbarkeitslücken sei es, dass sich die Polizei bei Protesten nicht vorwiegend darauf konzentriere zu deeskalieren, sondern sich auch um die Beweissicherung und die Ermittlung von Tatverdächtigen kümmere.

Die Strafbarkeit von Sympathiewerbung für Terrorgruppen war 2002 abgeschafft worden. Ziel der Änderung war es damals, eine klare Regelung zu formulieren, die sich auf Fälle beschränkt, in denen auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit ein Strafbarkeitsbedürfnis besteht.

Weitere Themen der Runde waren:

Die Verhinderung von Verfassungsfeinden als Sachverständige oder Gutachter bei Gericht:

Hier soll geprüft werden, ob der Informationsaustausch zwischen Justiz und Sicherheitsbehörden dazu ausreicht. Badenberg verwies auf Vorfälle, bei denen »Reichsbürger« - das sind Menschen, die die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen - für solche Aufgaben berufen worden waren.

Schutz von Kindern vor der Veröffentlichung von Fotos in sozialen Netzwerken durch ihre Eltern:

Vor allem wenn professionelle oder semi-professionelle Influencer solche Bilder ins Internet stellen, um Geld zu verdienen, sieht die Hamburger Justizsenatorin, Anna Gallina (Grüne), Handlungsbedarf. Ein dazu vorgelegter Beschluss fand aber keine Mehrheit. Man war sich aber einig, dass das Thema bei der nächsten Konferenz erneut auf die Tagesordnung soll.

Stalking mit Bluetooth-Trackern:

Die Justizminister der Länder fordern die Bundesregierung auf, eine bessere gesetzliche Handhabe gegen die heimliche Überwachung mit Bluetooth-Trackern und Peilsendern zu schaffen. Sie sind der Meinung, dass das Strafrecht bislang nur unzureichenden Schutz vor dem Missbrauch der münzgroßen Geräte biete. Die Mini-Geräte können helfen, verlorene Koffer oder gestohlene Autos zu lokalisieren. Heimlich in einer Jacke platziert, können sie von Stalkern zum Aufspüren ihres Opfers genutzt werden.

Digitalisierung:

Buschmann und die Justizminister der Länder bekräftigten in einer gemeinsamen Erklärung, dass der digitale Transformationsprozess in der Justiz neben organisatorischen und technischen Maßnahmen auch eine Fortsetzung der Modernisierung der Prozessordnungen umfassen solle. Der Bund stellt für Digitalisierungsprojekte bis 2026 jährlich bis zu 50 Millionen Euro zur Verfügung, insgesamt also bis zu 200 Millionen Euro. Für dieses und die kommenden Jahre seien bereits etwa 115 Millionen Euro für Vorhaben vorgesehen. Dazu gehört beispielsweise die Schaffung einer Plattform für maschinelle Übersetzung für die Justiz.

Jugendkriminalität:

Der Bundesjustizminister sei gebeten worden, eine Studie zu Jugendgewaltkriminalität erstellen zu lassen, sagte Eisenreich. Ziel dabei sei eine Verbesserung der Prävention.

© dpa-infocom, dpa:231110-99-901560/3