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Scholz will Konsens mit Ländern und Opposition bei Migration

Es gibt zwar noch keine konkreten Ergebnisse, aber ein Anfang ist gemacht. Ampel-Regierung, Länder und Opposition wollen die Eindämmung der Flüchtlingszahlen im Konsens regeln. Nach einem ersten Treffen herrscht ziemlich viel Optimismus.

Bundeskanzler Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich nach dem Migrationsgipfel zuversichtlich gezeigt. Foto: Jörg Carstensen/DPA
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich nach dem Migrationsgipfel zuversichtlich gezeigt.
Foto: Jörg Carstensen/DPA

Nach dem Migrationsgipfel im Kanzleramt hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz zuversichtlich gezeigt, dass er mit den Ländern und der Opposition gemeinsame Lösungen zur Eindämmung der irregulären Einwanderung finden wird. »Das soll ein Thema sein, wo wir miteinander die Probleme lösen und nicht alle mit dem Finger aufeinander zeigen«, sagte Scholz am Samstag auf einer SPD-Veranstaltung in Teltow bei Potsdam. »Ich glaube, das hat unser Land verdient und das wollen auch die Bürgerinnen und Bürger.«

Auch der CDU-Chef und Oppositionsführer im Bundestag, Friedrich Merz, zeigte sich grundsätzlich zu weiteren Gesprächen bereit. »Wir sind uns im Ziel einig: Die hohen Zahlen der illegalen Einwanderung müssen schnell nach unten«, sagte er der »Welt am Sonntag«. »Eine Zusammenarbeit kommt aber für uns nur in Betracht, wenn die im Rahmen eines Deutschlandpakts vereinbarten Maßnahmen substanziell und wirksam sind. Sie müssen geeignet sein, eine weitgehende Begrenzung beziehungsweise einen Stopp der illegalen Migration nach Deutschland zu erreichen.«

Gute Atmosphäre, aber noch keine konkreten Ergebnisse

Scholz hatte am Freitagabend bei einem Abendessen im Kanzleramt mit den Ministerpräsidenten Boris Rhein (Hessen, CDU), Stephan Weil (Niedersachsen, SPD) und erstmals auch mit Merz als Oppositionsführer im Bundestag Einigungsmöglichkeiten bei dem Thema ausgelotet. Alle Seiten nannten die etwa zweistündigen Beratungen anschließend konstruktiv - auch wenn es keine konkreten Ergebnisse gab. Das war aber von vorneherein auch nicht vorgesehen.

Bis zu einem Treffen aller Ministerpräsidenten mit Scholz in Berlin am 6. November sollen nun konkrete Lösungen gefunden werden, wie man den Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland in den Griff bekommen kann.

Scholz begrüßt Beschlüsse der Länder

Scholz begrüßte demonstrativ die Beschlüsse, die die Ministerpräsidenten der Länder am Freitag vor dem Spitzentreffen im Kanzleramt getroffen haben. Sie würden gut zu dem passen, was die Bundesregierung schon auf den Weg gebracht oder sich vorgenommen habe. »Deshalb bin ich ziemlich zuversichtlich, dass wird das schaffen werden, uns unterzuhaken, dass Bund und Länder und wenn es klappt auch die Parteien der Opposition mitmachen.«

Die Länder verlangen in ihrem Beschluss vom Freitag unter anderem effektive Maßnahmen zur Beschleunigung der Asylverfahren, stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen und eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber, statt Zahlungen in bar. »Die bislang getroffenen Maßnahmen sind noch nicht ausreichend, um eine Begrenzung der irregulären Migration zu erreichen«, heißt es in ihrem Papier.

Auch die Union legt Karten auf den Tisch

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits am Mittwoch die Grundzüge eines Gesetzentwurfs vorgestellt, der darauf abzielt, die Zahl von Abschiebungen, die im letzten Moment scheitern, zu reduzieren. Außerdem sollen die Ausländerbehörden durch verlängerte Fristen entlastet werden.

Bei der Runde im Kanzleramt legte auch die Union einen Forderungskatalog mit 26 Punkten vor. Darin wird von Scholz unter anderem ein »gemeinsames Verständnis« verlangt, »dass Deutschland mit Blick auf die Integration-Infrastruktur und den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine Asylzuwanderung bis maximal 200.000 Personen pro Jahr verträgt«. Vor diesem Hintergrund müsse es eine Regierungserklärung des Kanzlers geben mit dem Signal: »Deutschlands Aufnahmekapazitäten sind erschöpft«.

Vieles hängt auch an den mitregierenden Grünen, die im Bund bislang eher auf Hilfen für die Kommunen als eine Begrenzung der Zuwanderung setzten. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann rief seine Partei zu Kompromissen auf. »Wenn wir im Namen der Humanität die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft auf Dauer massiv überfordern, dann werden wir die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verlieren«, warnte er bei einem Landesparteitag in Weingarten. »Das Ergebnis einer solchen Politik wäre dann nicht mehr, sondern weniger Humanität.« Die Krise habe die Wucht, das demokratische Gemeinwesen zu erschüttern. »Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen.«

Einladung erfolgte nach dem Rechtsruck in Hessen und Bayern

Scholz hatte nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern zu dem Spitzentreffen eingeladen. Dabei hatten alle Ampel-Parteien teils dramatische Verluste eingefahren, während die AfD deutlich gewann und in Hessen sogar auf Platz zwei landete. Der Rechtsruck wurde zu einem großen Teil auf die Unzufriedenheit mit der Migrationspolitik zurückgeführt. Zwischen Anfang Januar und Ende September haben in Deutschland 233.744 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, rund 73 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Scholz hat kurz vor den Wahlen erstmals ausgesprochen, dass aus seiner Sicht zu viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Schon davor hatte er den Ländern und der »demokratischen Opposition« einen »Deutschlandpakt« angeboten, um Reformen voranzubringen. Er meinte damit aber nicht nur die Eindämmung der irregulären Migration, sondern auch andere Themen wie den Bürokratieabbau.

© dpa-infocom, dpa:231013-99-553964/26