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Scholz verspricht Ukraine weitere schwere Waffen

Olaf Scholz wurde Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen in die Ukraine vorgeworfen. Jetzt holt er in seiner bisher kämpferischsten Rede als Kanzler zum Befreiungsschlag aus.

Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: Kay Nietfeld
Bundeskanzler Olaf Scholz.
Foto: Kay Nietfeld

Deutschland will der Ukraine Mehrfachraketenwerfer und ein modernes Flugabwehrsystem für den Kampf gegen die russischen Angreifer liefern.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte den ukrainischen Streitkräften in der Haushaltsdebatte des Bundestags am Mittwoch zudem ein modernes Ortungsradar zu, das Artilleriestellungen ausfindig machen soll.

Zur Abfederung der drastischen Preissteigerungen im Zuge des Kriegs will der Kanzler Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer »konzertierten Aktion« zusammenrufen. Das sei ein »ungewöhnlicher Schritt«, der aber angesichts der aktuellen Lage dringend geboten sei, sagt Scholz in seiner bisher kämpferischsten Rede als Kanzler im Bundestag. Es gehe um eine »gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation«, sagte er.

Scholz war in den vergangenen Wochen immer wieder Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen in die Ukraine vorgeworfen worden. Bisher sind zwar in großem Stil Panzerabwehrwaffen, Flugabwehrraketen oder Maschinengewehre sowie etwa 15 Millionen Schuss Munition für den Abwehrkampf der Ukrainer gegen Russland zur Verfügung gestellt worden - aber noch keine schweren Waffen geliefert worden. Zugesagt sind bisher sieben Panzerhaubitzen - schwere Artilleriegeschütze - sowie 50 Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard; sie sind aber noch nicht geliefert worden.

Befreiungsschlag mit drei neuen Waffen-Versprechen

In seiner Rede in der Generaldebatte holte Scholz nun zum Befreiungsschlag bei dem Thema aus. Die drei neuen Waffen-Zusagen seiner Regierung gehen qualitativ über die bisherigen Versprechen hinaus:

- Vier Mehrfachraketenwerfer aus Beständen der Bundeswehr sollen möglichst bis Ende Juni in die Ukraine geliefert werden. Das geschehe in enger Abstimmung mit den USA, die auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den Systemen übernehmen würden, hieß es aus Regierungskreisen. Die USA hatten bereits am Dienstag die Lieferung solcher weit schießenden Artilleriesysteme zugesagt. Bedingung dafür war eine Zusage der Ukraine, keine Ziele auf russischem Territorium anzugreifen. Auch Scholz hob diese Zusage in seiner Haushaltsrede hervor. Die Bundeswehr nutzt seit 1990 die Raketenwerfer Mars II die je nach Munition Ziele in bis zu 40 Kilometer Entfernung treffen können.

- Bei dem Luftabwehrsystem handelt es sich laut Scholz um Iris-T des Herstellers Diehl. Es sei das modernste Flugabwehrsystem, über das Deutschland verfüge, sagte der Kanzler. »Damit versetzen wir die Ukraine in die Lage, eine ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen zu schützen.« Die Ukraine fordert seit langem die Lieferung von Flugabwehrsystemen, um sich gegen Angriffe von russischen Kampfflugzeugen, Hubschraubern, Raketen oder Drohnen schützen zu können.

- Hinzu kommt ein Ortungssystem, das Artilleriestellungen aufspüren soll.

Baerbock rechtfertigt Waffenlieferungen

Scholz wies den Vorwurf der Zögerlichkeit der Bundesregierung bei den Waffenlieferungen mit aller Schärfe zurück. »Das ist doch einfach dahergeredetes Zeug, dass sie da vortragen«, sagte er an die Adresse der Opposition. »Große Entschlossenheit, Mut und kluge Abwägung: Das ist das, was wir tun.«

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) begründete die neuen Waffenlieferungen mit dem aktuellen Vormarsch der russischen Streitkräfte in der Ostukraine. »Das ist eine neue Vernichtungswelle. Es ist auch eine neue Strategie der Entvölkerung, der Auslöschung der Zivilisation im Donbass«, sagte sie. Man brauche nun einen langen Atem bei der militärischen Unterstützung der Ukraine. Derzeit seien vor allem Luftabwehrsysteme, Artillerie und Drohnen gefragt. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte den Westen zuletzt wieder vor der Lieferung schwerer Waffen gewarnt.

Weitere Überraschung: »Konzertierte Aktion«

Neben den Waffenlieferungen hatte Scholz in seiner Rede eine weitere Überraschung parat: Eine »konzertierte Aktion« gegen die Preissteigerungen im Zuge des Ukraine-Kriegs. Dieses Thema stellte er an den Anfang seiner Rede - weit vor das Thema Waffenlieferungen.

Der Begriff »konzertierte Aktion« ist aus Zeiten der ersten großen Koalition bekannt. Angesichts der ersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik rief Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) 1967 Vertreter von Regierung, Bundesbank, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften an einen Tisch. »Konzertiert« meint »verabredet« - also den Versuch, Interessen freiwillig abzustimmen und in Einklang zu bringen.

Scholz machte deutlich, dass dieser Abstimmungsprozess »kein Dauerzustand« sein dürfe und dass es dort keine Lohnverhandlungen geben werde. Die Sozialpartner und der Staat hätten in Deutschland aber eine »lange Tradition, in solchen Lagen eng für das Gemeinwohl zusammenzuarbeiten«.

Arbeitgeber und Gewerkschaften begrüßten die Initiative des Kanzlers - obwohl dieser nicht in konkrete Details ging. »Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben in den bisherigen Krisen immer konstruktiv an Lösungen mitgearbeitet. Wir werden es auch dieses Mal tun«, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Yasmin Fahimi, betonte, dass die Sozialpartnerschaft »stets eine tragende Kraft unserer Marktwirtschaft« gewesen sei und dies in Krisenzeiten »in besonderem Maße unter Beweis stellen« könne.

Schlagabtausch zwischen Scholz und Merz

Scholz, der seine Reden oft abliest, zeigte sich diesmal im Bundestag ungewöhnlich angriffslustig. Dem Oppositionsführer Friedrich Merz warf er vor, immer nur Fragen zu stellen und sich niemals wirklich zu positionieren. »Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und haben nichts Konkretes gesagt«, rief Scholz dem CDU-Chef zu.

Der hatte dem Kanzler zuvor in seiner Rede erneut mangelnde Unterstützung der Ukraine vorgehalten: »Sie reden in letzter Zeit etwas mehr als sonst, aber sie sagen unverändert nichts.« Wenn man sich in der Europäischen Union umhöre, gebe es mittlerweile nur noch Verstimmungen, Enttäuschungen und »richtig Verärgerung« über die Rolle Deutschlands.

© dpa-infocom, dpa:220601-99-504932/7