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Scholz und Söder verlangen von Aiwanger weitere Aufklärung

Der Skandal um ein altes antisemitisches Flugblatt lastet auf Hubert Aiwanger, aber auch auf der CSU und der Koalition. Nun will Markus Söder offene Fragen beantwortet wissen. Und nicht nur er.

Hubert Aiwanger
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger soll »viele offene Fragen persönlich beantworten«. Foto: Sven Hoppe/DPA
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger soll »viele offene Fragen persönlich beantworten«.
Foto: Sven Hoppe/DPA

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordern weitere Aufklärung von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zu einem antisemitischen Flugblatt aus Schulzeiten. »Unabhängig davon, wer dieses Flugblatt verfasst und verbreitet hat: Es handelt sich da wirklich um ein furchtbares, menschenverachtendes Machwerk«, sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. »Das muss aus Sicht des Bundeskanzlers auch alles umfassend und sofort aufgeklärt werden und müsste dann gegebenenfalls auch politische Konsequenzen haben.«

Söder berief für Dienstag einen Sonder-Koalitionsausschuss ein. Dort soll Aiwanger offene Fragen beantworten und persönlich Stellung nehmen.

Söder habe die Freien Wähler zu der Sitzung »einbestellt«, teilte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) in München mit. Man habe Aiwangers Erklärung »zur Kenntnis genommen. Aber es bleiben viele Fragen offen. Diese kann nur Hubert Aiwanger persönlich beantworten«, sagte Herrmann. »Wir erwarten, dass dies zeitnah geschieht. Die Vorwürfe sind zu ernst, als dass sich ein stellvertretender Ministerpräsident nur schriftlich äußert und entscheidende Fragen unbeantwortet lässt.« Aiwanger müsse sich über die schriftliche Stellungnahme hinaus »persönlich und umfassend erklären«. »Es geht um das Ansehen Bayerns«, mahnte der enge Vertraute Söders.

War Aiwangers Bruder der Verfasser?

Aiwanger (52) hatte am Samstagabend schriftlich zurückgewiesen, als Minderjähriger zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die »Süddeutsche Zeitung« (SZ) berichtet hatte. »Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend«, hieß es in einer Erklärung Aiwangers. Der Verfasser sei ihm bekannt, weder damals noch heute war und sei es aber seine Art gewesen, »andere Menschen zu verpfeifen«, ergänzte er.

Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien »ein oder wenige Exemplare« in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers ein Jahr älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben: »Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen war.«

Am Montag sagte der Bruder den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, das Flugblatt könnte damals deshalb in Hubert Aiwangers Schultasche gefunden worden sein, weil dieser es habe wieder einsammeln wollen. »Ich bin mir nicht mehr ganz sicher«, sagte er. »Aber ich glaube, dass Hubert sie wieder eingesammelt hat, um zu deeskalieren.«

Söder, der Aiwanger am Samstag zu einer raschen Aufklärung gedrängt hatte, hat sich seither nicht mehr zu den Erklärungen geäußert.

Opposition fordert Aiwangers Rücktritt

Die Landtags-Opposition hatte den Druck auf Söder deshalb massiv erhöht. Grüne, SPD und FDP forderten eine umgehende Stellungnahme von ihm. In Abhängigkeit davon wollen sie gegebenenfalls über einen möglichen Antrag auf eine Sondersitzung im Landtag entscheiden. Die SPD hatte sich als erstes für eine Sondersitzung ausgesprochen, sie hält den Rücktritt oder die Entlassung Aiwangers für unausweichlich.

Auch Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann forderte nun: »Wer an «Verpfeifen» denkt, statt Zivilcourage zu zeigen, Mut zu beweisen und den Mund aufzumachen, wenn die Würde der Opfer des Naziregimes mit Füßen getreten wird und das Grauen verharmlost, der darf nicht länger mitbestimmen, wie wir in Bayern leben.«

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte weitere Aufklärung. »Die Inhalte des Flugblatts sind widerlich, abscheulich und menschenverachtend«, sagte Linnemann nach Beratungen der CDU-Spitze in Berlin. Nun gelte es aufzuklären.

In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte bislang stets erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Alle Umfragen hatten bis zuletzt auch fast keinen Zweifel daran gelassen, dass dies möglich sein wird - wobei die Freien Wähler zuletzt bei 11 bis 14 Prozent lagen. Die CSU regiert im Freistaat seit 2018 zusammen mit den Freien Wählern.

© dpa-infocom, dpa:230828-99-985579/3