Phasenweise wird es sogar ganz lustig in der Sommer-Pressekonferenz von Bundeskanzler Olaf Scholz. Das liegt zunächst einmal nicht am Regierungschef selbst, sondern am Handy eines Fotografen in der ersten Reihe.
Minutenlang ertönt daraus die Melodie des Weihnachtshits »Jingle Bells« und bildet den Soundtrack zu den Ausführungen des Kanzlers über Gewalt in Freibädern, Sicherheitszusagen für die Ukraine oder Zuwanderung. »Ich glaube, das ist jetzt kein Cyber-Angriff«, scherzt Scholz, als die Quelle des Pfeiftons gefunden ist und er sich dann immer noch nicht abstellen lässt.
Chaos-Regierung?
Der Kanzler freut sich schelmisch, lautes Gelächter auch in den Reihen der Journalisten. Eigentlich passt die gute Stimmung aber so gar nicht zu dieser Veranstaltung. Ampel-Chaos, Gegeneinander-Koalition, Krisen-Kabinett: Das ist die ziemlich einhellige Wahrnehmung der Regierung Scholz in den Schlagzeilen der letzten Monaten.
Scholz selbst sieht das anders. Den monatelangen Streit um das Heizungsgesetz mit tagelangen Marathonverhandlungen der Koalition und Entscheidungen, die immer wieder in Frage gestellt wurden, hat er mal als leichtes Ruckeln bezeichnet.
»Es ist ja kein Geheimnis: dass da so laut diskutiert worden ist, gefällt weder mir noch irgendwem sonst«, sagte er nun. Viel mehr kommt von ihm dazu in den 105 Minuten dieser Pressekonferenz aber nicht. Schon gar nicht zu seiner eigenen Verantwortung und zu den immer wiederkehrenden Vorwürfen der Führungsschwäche. Sie prallen an ihm ab.
Wer ist Scholz, wenn nicht John Wayne?
Er sei kein John Wayne, kein einsamer Cowboy, hat er vor kurzem in einem Interview gesagt. Sein Bild von dieser Koalition sei stattdessen das einer Familie, in der man Kompromisse schließen müsse. Mit welcher Filmfigur er sich denn selbst vergleichen würde, wenn nicht mit einem von John Wayne dargestellten Western-Held, fragt ihn ein Journalist. Scholz zögert kurz, grinst, und sagt dann. »Die Frage könnte ich beantworten, mach' ich aber nicht.« Typischer geht's nicht.
Dafür, was der Kanzler in den letzten Wochen erlebt hat, wirkt er fünf Tage vor seinem Urlaub ziemlich entspannt. In seinem ersten Regierungsjahr hatten sich die Konflikte in dem Bündnis aus SPD, Grünen und FDP noch im Rahmen gehalten. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen waren der Kitt. Es ging erstmal darum, ohne Gasknappheit über einen Winter zu kommen, für den so mancher düsterer Aufstands-Szenarien gemalt hatte.
Als das Thema durch war und die Aufmerksamkeit für den Krieg schwand, sollten endlich die eigentlichen Projekte dieser Koalition beherzt angepackt werden. Kampf gegen den Klimawandel, Transformation der Wirtschaft, Planungsbeschleunigung. »Zuversicht« war das neue Schlagwort. Scholz redete sogar von einem bevorstehenden Wirtschaftswunder wie in den 50er Jahren, von Vollbeschäftigung.
Teflon-Scholz
Der Übergang vom Krisen- in den Gestaltungsmodus hat die Koalition aber bisher nicht so richtig gut hinbekommen. In den Umfragen ist ihre Mehrheit längst zerbröselt, die AfD hat sogar die Kanzlerpartei SPD überholt und ist die Nummer zwei hinter CDU/CSU. Eine Krise der Regierung sieht Scholz trotzdem nicht und verbreitet auch schon mal für die nächste Wahl Zuversicht.
»Herr Scholz, Ihre Regierungszeit ist in fast genau zwei Jahren eventuell vorbei, wie wollen Sie...«, setzt eine Journalistin an. »Nö«, sagt der Kanzler. Journalistin: »Dennoch, wie wollen Sie, dass man sich dann an Sie erinnert?« Scholz: »Ich stehe am Anfang meiner Tätigkeit als Bundeskanzler.«
Teflon-Scholz wird der Kanzler wegen solcher Dialoge hin und wieder genannt. Es gibt aber auch den anderen Scholz. Den emotionalen, der von der Bühne gegen »Schreihälse« wettert, die ihn als »Kriegstreiber« bezeichnen. So zuletzt bei einer Kundgebung im brandenburgischen Falkensee im Juni. Welcher ist nun der wahre Scholz? Es seien »alle Varianten, in denen ich Ihnen begegnen werde, ich«, sagt er nur.
Nicht so richtig urlaubsreif
So richtig urlaubsreif ist der Kanzler trotz aller Querelen nicht, jedenfalls will er es nicht zugeben. »Ich freue mich darauf, dass ich in Urlaub fahre. Aber es ist nicht so, dass, wenn es jetzt nicht möglich wäre, ich das nicht hinkriegte«, sagt er. Nach dem EU-Lateinamerika-Gipfel Anfang nächster Wochen, ist er erstmal wohl für etwa zwei Wochen weg.
Wo es hingeht, wird nicht verraten. Ins »befreundeten, europäische Ausland«, heißt es lediglich. Und wie geht es danach mit der Ampel weiter? »Weniger laut, aber weiter mit Ergebnissen«, wünscht sich der Kanzler.
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