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Scholz setzt auf engere Energie-Zusammenarbeit mit Kanada

Beim bisher längsten Antrittsbesuch von Kanzler Scholz schweißt der Ukraine-Krieg Kanada und Deutschland zusammen. Es geht um stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit - unter anderem beim Thema Wasserstoff.

Bundeskanzler Scholz besucht Kanada
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Kanadas Permier Justin Trudeau (r) geben eine Pressekonferenz. Foto: Kay Nietfeld
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Kanadas Permier Justin Trudeau (r) geben eine Pressekonferenz.
Foto: Kay Nietfeld

Deutschland und Kanada haben eine engere Zusammenarbeit im Energiesektor vereinbart und der Ukraine weitere Hilfe für den Verteidigungskampf gegen Russland zugesagt.

Die Kooperation sei vor allem beim Thema Wasserstoff wichtig: »Kanada wird für die Entwicklung des grünen Wasserstoffs eine ganz, ganz zentrale Rolle spielen, und deshalb sind wir sehr froh, dass wir auch bei dieser Gelegenheit unsere Kooperation in diesem Feld ausbauen können«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach einem Treffen mit dem kanadischen Premier Justin Trudeau am Montag in Montreal. Gleichzeitig betonte er, dass er eine Rolle Deutschlands beim Wiederaufbau der Ukraine sieht.

Mit ihrem dreitägigen Kanada-Besuch wollen Kanzler Scholz und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) die Wirtschaftsbeziehungen zum zweitgrößten Land der Welt deutlich stärken - sie reisten mit einer großen Wirtschaftsdelegation an. Im Mittelpunkt stehen dabei Energie- und Rohstofflieferungen nach Deutschland. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zwingt Deutschland, sich gerade im Energiebereich breiter aufzustellen.

Pipelines und Terminals fehlen

Kanada hat zwar Flüssiggas (LNG), Deutschland könnte davon aber erst mittelfristig profitieren, weil für den Transport über den Atlantik noch Pipelines und Terminals fehlen. Bei der Reise liegt der Fokus deswegen auf der Wasserstoffproduktion. Außerdem hat die deutsche Wirtschaft an kanadischen Mineralien und Metallen Interesse, auch an Kobalt, Nickel, Lithium und Grafit, die für die Batterieproduktion wichtig sind. Beim Thema Flüssiggas bremste Kanadas Premier: Man werde den Export von Flüssiggas über den Atlantik prüfen. Eine der Herausforderungen rund um LNG sei jedoch die Höhe der Investitionen in Infrastrukturen. »Wir prüfen jedoch alle anderen Möglichkeiten, um den Deutschen und Europäern kurzfristig zu helfen, da sie im kommenden Winter vor einer echten Herausforderung stehen«, so Trudeau. Russland dürfe Energie nicht als Kriegswaffe benutzen.

Zum Thema neue Ukraine-Hilfen betonte Scholz, der Wiederaufbau sei »eine wichtige Aufgabe, wo die Weltgemeinschaft rechtzeitig die richtigen Weichen stellen muss«. Man müsse sich schon jetzt im Krieg mit dem Wiederaufbau des Landes beschäftigen. Deutschland und die EU wollten dies auf einer Wiederaufbaukonferenz vorantreiben. Zudem seien auch Waffenlieferung in den Osten der Ukraine weiterhin wichtig - bereits gelieferte Systeme zeigten in dem Konflikt Wirkung.

Scholz: Wichtig, dass wir zusammenhalten

Scholz lobte die Zusammenarbeit mit Kanada im Streit um eine Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1. »Russland versucht natürlich, die Weltgemeinschaft zu spalten. Und auch diejenigen, die sich verbündet haben, um die Ukraine zu unterstützen.« Deshalb sei es wichtig, dass Kanada geholfen habe, dass die überholte Turbine wieder zurückgeliefert werden könne. Für die Lieferung des nach russischer Darstellung essenziellen Aggregats hatte Ottawa seine eigenen Sanktionen gegen Russland umgangen und war innenpolitisch unter Druck geraten.

»Das war eine wichtige Entscheidung. Denn sie hat entlarvt die Strategie von (Russlands Präsident Wladimir) Putin, die darauf zielt, Verbündete zu spalten, darauf zielt, die Unterstützung für die Ukraine zu beeinträchtigen.« Russland sei kein zuverlässiger Geschäftspartner, sagte der Kanzler weiter. Das Land habe überall in Europa Gaslieferungen mit dem Hinweis auf vermeintliche technische Gründe reduziert. »Und deshalb ist es wichtig, dass wir nicht in Putins Falle tappen und zusammenhalten und zusammenstehen.«

Scholz und Habeck reisen weiter nach Toronto

Scholz und Habeck waren am Sonntag nach Montreal aufgebrochen und reisen nun für eine deutsch-kanadische Wirtschaftskonferenz in die Metropole Toronto. Anschließend reisen die beiden nach Neufundland, wo in dem abgelegenen Ort Stephenville ein Abkommen über eine stärkere Zusammenarbeit der beiden Länder bei Herstellung und Transport von Wasserstoff unterzeichnet werden soll.

Neufundland gilt als günstiger Standort für die Produktion von grünem Wasserstoff, der mit Hilfe von erneuerbaren Energien erzeugt wird. Es gibt in der dünn besiedelten Region viel Wind und viel Fläche, um ihn in Energie umzuwandeln. Bei der Nutzung von Wasserstoff entstehen keine Treibhausgase. Grundsätzlich kann Wasserstoff als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen. Weil die Herstellung sehr energieintensiv ist, ist der Wasserstoff derzeit noch deutlich teurer als fossile Energieträger.

Längster Antrittsbesuch von Scholz

Drei Stationen in drei Tagen - das ist der bisher längste Antrittsbesuch des Kanzlers in einem einzigen Land. Scholz und sein Wirtschafts- und Klimaminister Habeck sind erst zum zweiten Mal gemeinsam im Ausland unterwegs. Im Mai waren sie zusammen bei einem Nordsee-Gipfel, bei dem es um die verstärkte Nutzung der Windkraft ging.

Die deutsche Wirtschaft erhofft sich vor allem durch die für den Herbst erwartete Ratifizierung des Freihandelsabkommens Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada durch den Bundestag Impulse für die Handelsbeziehungen. An dem Abkommen gibt es aber auch heftige Kritik von Gewerkschaften, Umweltschützern und Menschenrechtsgruppen - der Vertrag schütze einseitig Konzerninteressen, indem es demokratische Willensbildung untergrabe und wirksame Politik zum Schutz von Klima, Umwelt und sozialen Leistungen verhindere.

Kanada ist mit einer Fläche von fast zehn Millionen Quadratkilometern nach Russland das zweitgrößte Land der Welt, mit etwa 37 Millionen Einwohnern aber vergleichsweise dünn besiedelt. Das Land ist Partner Deutschlands in der G7 wirtschaftsstarker Demokratien und in der Nato.

© dpa-infocom, dpa:220822-99-480986/2