Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Länder des westlichen Balkans aufgerufen, sich selbst fit für einen Beitritt zur Europäischen Union (EU) zu machen. Dafür müssten sie auch untereinander enger zusammenarbeiten, sagte der SPD-Politiker am Montag zum Abschluss eines Gipfeltreffens in der albanischen Hauptstadt Tirana. »Es führt kein Weg vorbei an regionalem Zusammenhalt und der dauerhaften Lösung von Konflikten, die schon viel zu lange schwelen.«
Neben Albanien geht es dabei um Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien. Alle sechs Westbalkan-Länder streben den Beitritt zur EU an, befinden sich dabei aber in unterschiedlichen Phasen.
Der Gipfel fand im Rahmen des sogenannten Berlin-Prozesses statt, der von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2014 ins Leben gerufen wurde, um die Staaten an die EU heranzuführen. Diese sollen schon vor einem EU-Beitritt untereinander Praktiken und Verfahren einführen, die in der EU gang und gäbe sind, wie etwa offene Märkte oder Freizügigkeit von Personen. Erstmals fand der Gipfel nun in einem der Westbalkanstaaten statt.
Vorschläge der EU-Kommission
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erneuerte ihren Vorschlag eines »Wachstumsplans«, um die Wirtschaft auf dem Westbalkan anzukurbeln. Dazu zählt eine engere Anbindung an den EU-Binnenmarkt - etwa beim Zoll, bei bargeldlosen Zahlungen oder im elektronischen Handel. Außerdem müssten die Balkanländer ihre Märkte untereinander stärker öffnen. Von der Leyen stellte darüber hinaus ein Investitionspaket in Höhe von sechs Milliarden Euro im Gegenzug für Reformen in Aussicht.
Scholz kündigte zudem eine regionale Klimapartnerschaft zwischen Deutschland und dem Westbalkan an. Deutschland werde den Kampf gegen den Klimawandel und den Einsatz erneuerbarer Energien in der Region bis 2030 mit 1,5 Milliarden Euro unterstützen. Die Bundesregierung werde zudem 73 Millionen Euro für ein neues Programm zu Erneuerbaren Energien in Albanien bereitstellen.
Albaniens Ministerpräsident Edi Rama bezeichnete als Gastgeber des Gipfels die Vorschläge der EU-Kommission als »etwas ganz Neues«. »Sie zeigen, dass sich die EU gegenüber Nicht-Mitgliedern des Westbalkans öffnet, indem sie sich auf Schritte einlässt, die zu etwas führen, was sonst nur Mitgliedern vorbehalten ist«, sagte er.
Scholz verurteilt Vorfall in Banjska
Das Treffen stand aber auch im Schatten eines jüngsten Überfalls serbischer Para-Militärs im Norden des Kosovos. Bei den Kämpfen am 24. September waren in der Ortschaft Banjska ein kosovarischer Polizist und drei serbische Eindringlinge getötet worden. Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti forderte beim Gipfel, dass derartige Akte nicht ohne Konsequenzen bleiben dürften. Sein Land sei »immer noch von Serbien bedroht«, fügte er hinzu.
Scholz verurteilte den Vorfall in Banjska auf der Pressekonferenz aufs Schärfste. »Wir fordern eine äußerst intensive Untersuchung, und wir verlangen, dass die serbischen Behörden dabei mit den Behörden im Kosovo zusammenarbeiten.« Von der Leyen betonte, dass die Angelegenheit noch untersucht werde und entsprechende Schritte im Lichte der Ergebnisse gesetzt werden könnten.
Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, nicht aber Serbien, Russland und China erkennen den neuen Staat an. Serbien verlangt die Rückgabe seiner einstigen Provinz. Seit Jahren laufende EU-vermittelte Gespräche zur Normalisierung der Beziehungen brachten bislang nur wenig greifbare Ergebnisse.
Die serbische Ministerpräsidentin Ana Brnabic entzog sich dem sogenannten »Familienfoto«, das anlässlich solcher Treffen mit allen Teilnehmern angefertigt wird. Als Grund nannten serbische Medien den Umstand, dass im Hintergrund unter den Fahnen der Teilnehmerländer auch die des Kosovos aufgehängt war.
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