Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Haushaltskompromiss der Koalitionsspitzen gegen die Kritik der Opposition verteidigt. Man habe einen Weg gefunden, um sowohl die wichtigen Aufgaben des Landes wie auch die Hilfen für die Ukraine finanzieren zu können, »ohne dass es zu Einschränkungen hierzulande führt«, sagte der SPD-Politiker bei einem Bürgerdialog in Weimar.
»Und deshalb ist es ein guter Haushalt, auf den sich die Bundesregierung in so langer Zeit und in einer Nacht ohne Schlaf geeinigt hat.« Scholz räumte ein, dass die Koalition um diesen Weg »mühevoll gerungen« habe.
Die Spitzen der Koalition hatten in der Nacht zum Freitag in langen Verhandlungen den seit Monaten schwelenden Haushaltsstreit beigelegt und sich auf einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Die Schuldenbremse wird eingehalten, eine Haushaltsnotlage etwa wegen der Ausgaben für die militärische und humanitäre Unterstützung der Ukraine nicht festgestellt - dies war der FDP wichtig.
»Investitionshaushalt steigt dramatisch«
Scholz betonte in Weimar beim Wahlkampfauftakt der thüringischen SPD, die Koalition tue mit ihrem Etatentwurf etwas für Kinder und Familien, indem das Kindergeld und der Kinderzuschlag erhöht würden. Außerdem werde in die Infrastruktur des Landes wie Straßen und Schienen investiert. »Der Investitionshaushalt des Bundes steigt dramatisch«, sagte der Kanzler.
Investiert werde auch in modernste Infrastruktur für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands, so Scholz. Zwar soll der Verteidigungshaushalt von rund 52 Milliarden Euro nur um etwa 1,2 Milliarden Euro wachsen, während Minister Boris Pistorius (SPD) mehr als 6 Milliarden Euro gefordert hatte. Doch Scholz betonte, »dass wir für die Sicherheit unseres Landes das notwendige Geld bereitstellen und dass wir deshalb auch die Bundeswehr besser ausstatten werden, als es in der Vergangenheit der Fall war«.
Lindner sieht »ganz normalen Haushaltsprozess«
Dass der Verteidigungsminister mit viel weniger Geld auskommen muss als erwartet, sieht sein Kabinettskollege Christian Lindner (FDP) gelassen. »Der Verteidigungsminister bekommt mehr Geld als im Haushalt davor, aber er bekommt weniger Geld, als er auch öffentlich gefordert hat«, sagte der Bundesfinanzminister der »Bild«. »Das ist der ganz normale Haushaltsprozess.« Ein Minister arbeite mit Leidenschaft für sein Ressort und fordere natürlich das Maximum. »Die Aufgabe des Finanzministers und der Bundesregierung insgesamt ist dann, zu prüfen, was wünschenswert und was wirklich notwendig ist.«
Nachbesserungen an Verteidigungshaushalt gefordert
Der SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz nannte die geringe Anhebung des Verteidigungsetats eine »ernüchternden Zahl«. »Das Ergebnis der regierungsinternen Haushaltsgespräche entspricht nicht dem, was wir im Verteidigungsbereich brauchen.« Nun hätten die Abgeordneten »im parlamentarischen Verfahren die Aufgabe, deutliche Nachbesserungen vorzunehmen«, sagte Schwarz dem »Tagesspiegel«.
Nach dem für den 17. Juli anvisierten Kabinettsbeschluss für den Etat 2025 wird sich der Bundestag unmittelbar nach der Sommerpause im September damit erstmals befassen. Im November/Dezember steht üblicherweise die Beschlussfassung im Parlament an.
Nachbesserungen am Verteidigungshaushalt hält auch die Union für nötig. »Was wir jetzt brauchen, sind rasch echte Umpriorisierungen im Haushalt, die einen verstetigten und erhöhten Verteidigungsetat ermöglichen«, sagte der CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter der »Augsburger Allgemeinen«.
»Damit werden wir nicht kriegstüchtig«, sagte der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg, zur nur geringfügigen des Wehretats im nächsten Jahr. »Das ist enttäuschend.« Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete warnte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): »Es werden vielmehr an allen Ecken und Enden Lücken bleiben.«
Nach 2025 wird es »immer enger« bei der Bundeswehr-Finanzierung
Die längerfristige Finanzierung der Bundeswehr über 2025 hinaus dürfte ebenfalls noch zu heftigen Debatten führen. Kanzler Scholz hatte von einem regulären Verteidigungsetat von 80 Milliarden Euro von 2028 an gesprochen, also nachdem das Sondervermögen komplett ausgegeben sein wird. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) machte in den ARD-»Tagesthemen« die Dimension der Herausforderung deutlich. »2025 kommen wir gerade so durch. Danach wird es immer enger werden.«
Die Gegenfinanzierung nach Auslaufen des 100 Milliarden Euro umfassenden Bundeswehr-Sondervermögens sei noch nicht gefunden. »Die ist deutlich höher als unser Problem der letzten zwei, drei Tage oder der letzten Nacht«, betonte der Grünen-Politiker. »Ich möchte nicht, dass wegen der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland bei Bildung, bei Forschung, bei Kultur, bei sozialen Leistungen gespart wird.«
Habeck: Keine weiteren Debatten über Haushaltsnotlage
Habeck sprach sich gegen eine erneute Debatte über eine Haushaltsnotlage etwa im parlamentarischen Verfahren aus. »Das ist geführt - diese Debatte. Ich würde die nicht wieder aufmachen«, sagte der Grünen-Politiker. Er sprach von einem »sehr, sehr guten Paket«.
Das sieht der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer anders. »Mit vielen Kunstgriffen nutzt man nun finanzielle Spielräume, die der Finanzminister bis vor kurzem noch ausgeschlossen hatte«, sagte Türmer dem Portal web.de. Vieles basiere auf Prognosen. Bei verschärften Weltlagen oder Krisen könne der Haushalt ganz schnell in Schieflage geraten. »Deswegen ist eine Aussetzung der Schuldenbremse weiterhin die nachhaltigere Option.«
DGB sieht Licht und Schatten
Gewerkschaften und Sozialverbände reagierten zwiegespalten. DGB-Chefin Yasmin Fahimi wertete es als »gute Nachricht«, dass größere Einschnitte und Sozialkürzungen offenbar ausbleiben. Die arbeitspolitischen Vorschläge hielten die Gewerkschaften in Summe für das falsche Signal.
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, hob in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe hervor, es scheine gelungen zu sein, »in entscheidenden Bereichen einen weiteren sozialen Abstieg zu verhindern«. Im RND-Interview monierte sie aber zugleich, »dass die großen Verteilungsfragen mit dieser Koalition nicht mehr gelöst werden, weil man sich nicht auf die dafür notwendige mutige Steuerreform einigen kann«.
Union behält Option vorgezogener Neuwahl auf dem Tisch
Die Union sieht derweil im Ampel-Kompromiss kein Signal für deren Stabilität. »Es kann sein, dass wir auch kurzfristig nach Berlin kommen müssen«, sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz der »Rheinischen Post«. »Die Ampel-Koalition ist nicht so stabil, dass sie sicher über den Sommer durchhält.«
Bringt das Wachstumspaket wirklich Wachstum?
Nach Einschätzung der CDU/CSU-Opposition wird das von der Ampel-Koalition zusammen mit dem Haushalt geplante Wachstumspaket die deutsche Wirtschaft nicht nachhaltig ankurbeln. »Das angebliche Wachstumspaket ist genauso schwach wie die Ampel. Klein-Klein-Gewerkel statt merkbarer Impulse für die Wirtschaft«, erklärte die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner. Wichtige Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit wie eine Deckelung der Lohnnebenkosten, flexiblere Arbeitszeiten und eine Unternehmenssteuerreform fehlten.
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