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Scheitern und Schlichtung - Tarifstreit vor nächster Stufe

Keine Ende im Tarifkonflikt für den öffentlichen Dienst in Sicht: Nach tagelangen Verhandlungen erklären die Gewerkschaften die Gespräche für gescheitert. Kann eine Schlichtung die Lösung bringen?

Tarifverhandlungen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (2.v.l), Verdi-Chef Frank Wernece (r.), dbb-Vorsitzender Ulrich Silberbach (M.) und weitere Teilnehmer zu Beginn der dritten Tarifverhandlungsrunde. Foto: Carsten Koall
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (2.v.l), Verdi-Chef Frank Wernece (r.), dbb-Vorsitzender Ulrich Silberbach (M.) und weitere Teilnehmer zu Beginn der dritten Tarifverhandlungsrunde.
Foto: Carsten Koall

Tagelang verhandelten Arbeitgeber und Gewerkschaften - doch in der Nacht auf Donnerstag erklärten Verdi und der Beamtenbund dbb die Gespräche für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen für gescheitert.

Stunden später setzten die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und das Bundesinnenministerium mit der Anrufung der Schlichtung einen neuen Lösungsversuch in Gang. Angekündigt hatten sie den Schritt bereits in der Nacht im Potsdamer Verhandlungshotel - wie es nun weitergeht:

Wie läuft die Schichtung ab?

Nach festen Regeln und Fristen. Eine voraussichtlich 24-köpfige Schlichtungskommission tritt bis zum kommenden Donnerstag erstmals zusammen. Die Schlichterinnen und Schlichter verhandeln dann wohl auf Grundlage des bisherigen Verhandlungsstands an einem voraussichtlich geheimen Ort. Die Vorsitzenden der Schlichtungskommission sind der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt von der Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr für die Gewerkschaften - Lühr mit der im Fall eines Patts entscheidenden Stimme.

Wie kann die Schlichtung enden?

Mit einer Einigung - bereits das Verfahren einer Schlichtung hatte in der Vergangenheit den Druck auf die Tarifparteien hin zu einem Kompromiss erhöht. Für Mitte April wird ein Schlichterspruch erwartet. Dann setzen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber erneut zusammen und verhandeln darüber. Wie das Beispiel der bisher letzten umfassenden Streiks im öffentlichen Dienst zeigt, bringt aber auch eine Schlichtung nicht unbedingt den Durchbruch. 1992 wurde ein Schlichterspruch nicht angenommen - rund zehntägige flächendeckende Streiks folgten.

Kann während der Schlichtung auch gestreikt werden?

Nein. Vom dritten Tag nach Anrufung der Schlichtung an besteht Friedenspflicht - also ab Sonntag. Bis nach Ostern sind Warnstreiks im öffentlichen Dienst dann ausgeschlossen.

Wer sind die Schlichter?

Der ehemalige sächsische Ministerpräsident Milbradt hat schon öfters bei Konflikten im öffentlichen Dienst ausgeholfen. Der CDU-Politiker vermittelte beispielsweise 2010 mit Hannovers Ex-Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) bei festgefahrenen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Durch einen Schlichterspruch stiegen damals die Gehälter um 2,3 Prozent. Lühr ist neu als Schlichter. Das SPD-Mitglied hat vielfältige Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung.

Welche Beispiele für Schlichtungen gibt es noch?

Im Jahr 2020 scheiterte Brandenburgs früherer Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) beim Schlichtungsversuch zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Sein Vorschlag wurde von der GDL abgelehnt. Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ermöglichte 2016 als Schlichter durch einen Interessenausgleich die Tengelmann-Übernahme durch Edeka.

Was liegt auf dem Verhandlungstisch?

Die Arbeitgeber boten 8 Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro sowie eine Einmalzahlung von 3000 Euro an - was nach Einschätzung des Städte- und Gemeindebunds einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr für die Kommunen ausmachen würde. Die Gewerkschaften hatten 10,5 Prozent mehr Lohn gefordert, mindestens aber 500 Euro mehr.

Worüber wurde noch verhandelt?

Ein weiterer Aspekt ist die Laufzeit - 12 Monate fordern die Gewerkschaften. Den Arbeitgebern ist das zu wenig. Sie hatten zunächst 27 Monate angeboten. Auch darüber wurde intensiv gerungen. Wie es in Verhandlungskreisen hieß, waren hier beide Seiten aber durchaus kompromissbereit. So stand auch die Variante einer 24-monatigen Laufzeit im Raum.

Wie ist die Streikbereitschaft der Gewerkschaften heute?

Verdi sieht sich durch die massiven Warnstreiks der vergangenen Wochen gestärkt - und verzeichnete über 70.000 Eintritte in den vergangenen drei Monaten. Verdi-Chef Frank Werneke steht im September beim Bundeskongress seiner Gewerkschaft auch zur Wiederwahl an - dann zählen gute Tarifabschlüsse und erfolgreiche Mobilisierung.

© dpa-infocom, dpa:230330-99-140712/4