Als erstes deutsches Bundesland richtet Baden-Württemberg nach Angaben des Innenministeriums im kommenden Jahr eine internationale Katastrophenschutzübung aus. Das Land hatte sich im Frühjahr für die Großübung des Europäischen Katastrophenschutzes beworben - nun habe man gute Nachrichten aus Brüssel erhalten, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) der Deutschen Presse-Agentur.
Beteiligt sind auch Griechenland, Österreich und die Schweiz. »Der Krieg in der Ukraine, die Corona-Pandemie und der Klimawandel zeigen: Krisen kennen keine Grenzen. Das haben wir in den letzten drei Jahren im Crashkurs hautnah erfahren«, sagte der Stuttgarter Vize-Regierungschef.
Die Übung soll im Oktober 2024 stattfinden, ist auf 36 Stunden angelegt und trägt den Namen »Magnitude«. Das Katastrophenszenario ist ein Erdbeben - mit weitreichenden Folgen. So sollen der Umgang mit Chemieunfällen, die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung sowie die Ortung und Bergung verschütteter oder verletzter Menschen trainiert werden.
Alle Eventualitäten durchspielen
Solche Einsätze könnten Stunden oder gar Tage dauern, schildert das Innenministerium. Zerstörte Infrastruktur, Stromausfälle, Probleme beim Trinkwasser - das alles sind denkbare Folgen eines Erdbebens. Und: In Baden-Württemberg gibt es viele Unternehmen, die auch mit gefährlichen Chemikalien arbeiten. Im Fall eines schweren Erdbebens müsse also auch mit dem Austritt von Gefahrgut gerechnet werden. All solche Eventualitäten sollen in der Großübung durchgespielt werden. »Übung macht den Meister, das gilt natürlich und gerade für komplexe Lagen«, sagte Strobl dazu.
Seit 2010 gab es bereits 35 solcher von der EU unterstützter Übungen, die Europäische Kommission unterstützt diese regelmäßig. Neben Erdbebenszenarien wurden dort beispielsweise Einsätze bei Flutkatastrophen, nuklearen Zwischenfällen oder bei Waldbränden trainiert. Deutschland war zwar an einigen der Übungen beteiligt, aber bislang nie Ausrichter.
Erst im vergangenen Jahr hatte Baden-Württemberg an einem Projekt der EU in Griechenland zur Waldbrandbekämpfung teilgenommen. Mit einer internationalen Großübung in Deutschland gehe man nun den nächsten Schritt, sagte Innenminister Strobl. »Die aktuellen Krisen müssen für uns alle Anlass sein, auch dem europäischen Projekt neuen Schub zu geben - zusammen denken, zusammen handeln.« Das gelte auch ganz besonders in der Sicherheitspolitik.
Schwache, in der Regel nicht spürbare Erdbeben werden in Baden-Württemberg laut Experten täglich gemessen. Durchschnittlich einmal pro Monat komme es auch zu lokal leicht spürbaren Erdbeben. Und etwa einmal pro Jahrzehnt sei mit mittelstarken Erdbeben zu rechnen, die regional zu Gebäudeschäden und Betriebsstörungen in größerem Umfang führen können.
»Starke Erdbeben mit katastrophalen Auswirkungen sind in Baden-Württemberg zwar sehr selten, aber nicht ausgeschlossen«, erklärte Martin Hensch vom Landeserdbebendienst beim Regierungspräsidium Freiburg. Letztlich ließen sich Erdbeben nicht vorhersagen. »Zielsetzung ist hier die bestmögliche Vorsorge«, erklärte der Experte - etwa in Form von Bauvorschriften und Ablaufplänen für Behörden im Erdbebenfall.
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