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Russland warnt vor Scheitern des Getreideabkommens

Unter Vermittlung der UN und der Türkei wurde vergangene Woche ein Getreideabkommen beschlossen. Doch für die Umsetzung stellt das russische Außenministerium nun weitere Forderungen.

Getreidesilos in Odessa
Das Getreideabkommen wurde erst kürzlich beschlossen. Nun warnt Russland vor einem Scheitern. Foto: Jussi Nukari
Das Getreideabkommen wurde erst kürzlich beschlossen. Nun warnt Russland vor einem Scheitern.
Foto: Jussi Nukari

Das russische Außenministerium hat vor einem Scheitern des Getreideabkommens gewarnt. Der Export von Getreide aus Russland und der Ukraine müsse gleichzeitig beginnen, forderte der stellvertretende russische Außenminister Andrej Rudenko am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Daher müssten die Hindernisse zum Export russischen Getreides schnell beseitigt werden.

»Wir hoffen stets auf das Beste und rechnen darauf, dass unsere Partner die beiden Komponenten des Getreide-Deals verwirklichen, der die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine und die Beendigung der Begrenzungen für den russischen Getreideexport insgesamt betrifft«, sagte Rudenko. Russland hat in der Vergangenheit eine Beendigung der Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen explizit von einer Lockerung der westlichen Sanktionen gegen sich abhängig gemacht.

Zwar richten sich die Sanktionen nicht gegen den Export von Lebensmitteln und Dünger aus Russland, doch haben sie inzwischen eine solche Strahlkraft entwickelt, dass sie auch deren Ausfuhr behindern. So klagt Moskau darüber, dass russische Schiffe, die Getreide transportieren, nicht mehr in europäischen Häfen anlegen oder versichert werden können. Auch bei der Finanzierung solcher Transporte gebe es Probleme durch die Beschränkungen im Finanzsektor.

Kontrollzentrum in Istanbul eröffnet

Das von Russland und der Ukraine vereinbarte Kontrollzentrum zur Überwachung von ukrainischen Getreideexporten wurde heute in Istanbul offiziell eröffnet. Die Türkei glaube, dass das Zentrum einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise leisten werde, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Mittwoch bei der Eröffnungszeremonie.

Derzeit liefen Vorbereitungen, damit das erste mit Getreide beladene Schiff die Ukraine über das Schwarze Meer verlassen könne. Schiffe sollen bei der Durchfahrt durch die Meerenge Bosporus, also bei Ein- und Ausfahrt ins Schwarze Meer, kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Ähnliches geladen haben. Das Koordinationszentrum werde die Handelsschiffe registrieren und deren Bewegungen unter anderem über Satelliten verfolgen, sagte Akar.

Das Zentrum ist Teil eines am Freitag in Istanbul unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossenen Abkommens, mit der die Blockade ukrainischer Häfen aufgehoben wurde. Es ist laut Akar schon seit Samstag im Betrieb. Dass die Ukraine, Russland und die UN schon einen Tag nach Unterzeichnung Vertreter entsandten, wertete Akar als Zeichen der Entschlossenheit, das Abkommen umzusetzen. In dem Zentrum arbeiteten Zivilisten und Militärs - jeweils fünf Vertreter pro Partei, sagte Akar.

Reederverband: Getreideexporte sind große Herausforderung

Aus Sicht des internationalen Reederverbandes Bimco werden die vereinbarten ukrainischen Getreideexporte die maritime Logistik vor eine schwierige Aufgabe stellen. Weil die drei ukrainischen Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschnyj »in den letzten fünf Jahren noch nie eine so große Menge Getreide umgeschlagen haben«, könnten sich die geplanten Exporte als Herausforderung erweisen, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes vom Mittwoch in Bagsværd bei Kopenhagen. »Selbst wenn die Hafenlogistik beschleunigt wird, um die Exporte zu beschleunigen, wird die Notwendigkeit, die Schiffe in die Häfen hinein und aus ihnen heraus zu eskortieren, wahrscheinlich zu einer gewissen Überlastung führen«, sagte Bimco-Analyst Niels Rasmussen.

Als »ein wesentliches Hindernis für die ukrainischen Getreideexporte« bewertet Bimco-Analyt Rasmussen zudem die hohen Transportrisiken und entsprechend hohe Versicherungsprämien. »Damit die Verschiffung ukrainischen Getreides attraktiv ist, sind hohe Raten erforderlich, um die risikobedingten Kosten zu mindern«, sagte er. »Russlands jüngste Raketenangriffe auf Häfen wie Odessa werden die Unsicherheit und Ungewissheit bei Operationen im Schwarzen Meer noch verstärken.«

Die Ukraine zählt zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt. Wegen des Krieges können noch etwa 20 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine nicht exportiert werden. Die Nahrungsmittel werden vor allem in Asien und Afrika dringend benötigt. Die Vereinten Nationen warnten zuletzt schon vor der größten Hungerkrise seit Jahrzehnten.

© dpa-infocom, dpa:220727-99-172206/7