Als Ron DeSantis am Mittwochabend bekannt gibt, dass er Präsident der Vereinigten Staaten werden will, ist seine von technischen Aussetzern begleitete Twitter-Ansprache ein Best-Of erzkonservativer Politik: Er wolle die traditionelle Familie wahren, hart gegen Migranten vorgehen und Amerika vor »linker Agenda« schützen.
Der große Auftritt hört sich etwas hölzern, zu einstudiert an. Doch Hardliner DeSantis ist bei den Republikanern im Moment der einzige ernstzunehmende Widersacher von Ex-Präsident Donald Trump. Wer ist der Mann, der ins Weiße Haus einziehen will?
Der 44-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren strategisch als stramm rechter Macher positioniert. Und der gegenwärtige Kulturkampf in den tief gespaltenen Vereinigten Staaten bietet ihm dafür die perfekte Bühne: Die Taktik des smarten Absolventen der renommierten Harvard Law School und Ex-Navy-Mitglieds ist es, Reizthemen mit radikaler rechter Politik medienwirksam zu besetzen und die Konservativen damit hinter sich zu vereinen.
Anti-»woke« als Markenzeichen
DeSantis ging aggressiv gegen Transpersonen und Aufklärung über sexuelle Orientierungen in Schulen vor. Damit richtete er sich vor allem gegen die »woke«-Ideologie. Dieser Begriff diente ursprünglich zum Beschreiben einer Haltung gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit, wird in den USA mittlerweile aber von vielen genutzt, um überzogene linke Korrektheit zu brandmarken.
Anti-»woke« zu sein ist DeSantis' Markenzeichen. Den Satz »Florida ist der Ort, an dem Woke stirbt« hat er unter frenetischem Jubel seiner Anhänger Dutzende Male wiederholt. Er sieht sich als aggressiver Gegner linker Politik des medialen und elitären Mainstreams, den rechte Kreise zum Feindbild aufgebaut haben. Ein Mann, der im Angesicht des Bösen nicht mit der Wimper zuckt, für den Nachgeben keine Option ist. Er provoziert Kritik von liberalen Medien, Firmen oder Personen, weil sie ihm Auftrieb verschafft.
Corona-Politik ohne Beschränkungen und Zwang
Das womöglich beste Beispiel ist DeSantis' Corona-Politik in Florida, die fast ohne Beschränkungen und staatliche Zwangsmittel auskam - auch wenn dadurch die Infektionszahlen stiegen. Es folgte ein Sturm der Entrüstung - doch viele Menschen waren begeistert und die Umfragewerte immer besser. Auch am Mittwoch verteidigte DeSantis seine Linie in der Pandemiebekämpfung und bezeichnete das Vorgehen der US-Regierung als autoritär.
Beim Streitthema Einwanderung ließ er vergangenes Jahr mit einer beispiellosen PR-Inszenierung Migranten aus Texas auf die Insel Martha's Vineyard vor der US-Ostküste fliegen, wo besonders viele liberale und vermögende Amerikaner ihre Sommerdomizile haben.
Bei solchen Provokationen geraten einige der durchaus auch bei Demokraten beliebten Gesetze des aufstrebenden Politikers in Vergessenheit, etwa der ausgeweitete Schutz der Wildtier-Reservate und Gehaltserhöhungen für Lehrkräfte. Der Gouverneur mit der konservativen Bilderbuch-Familie wurde schließlich im November mit einem historisch starken Ergebnis wiedergewählt - entgegen dem Bundestrend bei den für Republikaner enttäuschenden Zwischenwahlen.
Live-Konferenz auf Twitter zum Wahlkampfstart
Für seinen Wahlkampfstart wählte DeSantis nun eine Art Live-Konferenz auf Twitter und schilderte seine Pläne dem exzentrischen Chef des Kurznachrichtendienstes, Elon Musk. Der Tech-Milliardär ist bekannt dafür, als Verstärker rechter politischer Thesen zu agieren und hat in der Vergangenheit etliche Accounts unliebsamer Journalisten und anderer Kritiker sperren lassen.
Es ist ungewöhnlich, dass DeSantis seine Pläne nicht in einer riesigen Halle mit Hochglanzoptik und live auf allen Sendern verkündet. Die Strategie dahinter könnte sein, dass DeSantis auf Trumps frühere Lieblingsplattform und deren Chef als Fürsprecher setzt - schließlich gilt Musk als Rockstar unter Geschäftsleuten mit großer konservativer Fangemeinde und garantiert Aufmerksamkeit. Durch den Stotterstart mit vielen technischen Problemen ließ Musk DeSantis zum Wahlkampfauftakt aber nun wie einen Amateur aussehen.
Trump weiß, dass DeSantis sein wohl größter innerparteilicher Konkurrent ist - und hat nicht ganz unrecht mit der Erzählung, dass er ihm als Mentor erst zum Gouverneursposten verhalf. Der einstige Immobilienmogul hat sich auf ihn eingeschossen, DeSantis sogar schon indirekt in die Nähe von Sex mit Minderjährigen gerückt. Und das gerade beschlossene, radikale Abtreibungsgesetz in Florida bedachte sogar der rechte Trump als »zu scharf« für viele Konservative.
Image des illoyalen Karrieristen könnten DeSantis schaden
DeSantis jedoch will der wählbare, bessere Trump sein: kein Drama, sondern Taten - ohne Ballast und Bürde des Ex-Präsidenten. Dafür geht er auf einem schmalen Grat: Trump hat Millionen Kernanhänger, Beobachter sprechen von etwa 30 Prozent der Wähler, die der Mann aus dem »Sunshine State« nicht vergrätzen darf, wenn er gegen den demokratischen Präsidenten Joe Biden 2024 eine Chance haben will. Doch er muss damit rechnen, dass Trump seine Basis gegen ihn aufhetzen wird. Bei der Twitter-Ankündigung achtete DeSantis jedenfalls drauf, den Namen Trump kein einziges Mal zu erwähnen.
Zum Verhängnis werden könnte DeSantis aber noch etwas Anderes: Immer wieder betont er, dass ihn Beliebtheit - anders als Trump - nicht interessiere. Dies scheint nicht nur Pose: Regelmäßig melden sich politische Wegbegleiter zu Wort, die sich enttäuscht darüber äußern, dass der Gouverneur sie links liegen gelassen habe. Fehlende Seilschaften könnten ihm im Wahlkampf schaden.
DeSantis gilt nicht als jovialer Mann des Volkes: Veranstaltungen mit Tuchfühlung zur Wählerschaft werden schnell unangenehm, Small Talk fällt ihm schwer - was man auch mit Musk auf Twitter wieder merkt. Nach einer Auslandsreise, bei der er kürzlich britische Wirtschaftsgrößen traf, berichtete das Magazin »Politico«, DeSantis habe gelangweilt und uninspiriert gewirkt. Ein Augenzeuge erzählte demnach, keiner im Raum habe den Eindruck gewonnen, dass »dieser Mann es zu irgendwas bringt«.
Hat DeSantis eine Chance?
Darüber, was ein Präsident DeSantis für die US-Außenpolitik und Verbündete wie Deutschland bedeuten könnte, wurde bislang wenig geredet. Zuletzt sorgte er mit Äußerungen für Aufsehen, Russlands Krieg gegen die Ukraine dürfe angesichts innenpolitischer Herausforderungen keine Priorität für die USA sein. Trotzdem gibt es aus europäischer Sicht im Vergleich mit Trump die Hoffnung, dass DeSantis besonnener handeln könnte und Allianzen nicht leichtfertig aufs Spiel setzen würde.
In Umfragen lag Trump im Rennen der Republikaner zuletzt weit vorn. Beobachter machen dafür auch die Ermittlungen der US-Justiz gegen ihn verantwortlich, die Trump für sich nutzen könne. Doch aus DeSantis' deutlichem Rückstand in den Umfragen lässt sich nicht schließen, er habe keine Chance: Zum selben Zeitpunkt im Vorwahlkampf der Demokraten 2007 war Barack Obama klarer Außenseiter gegenüber Hillary Clinton. Und im Mai 2015 lag ein gewisser Donald Trump in Umfragen gar im niedrigen einstelligen Bereich.
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