BERLIN. Das Robert Koch-Institut (RKI) ist der hoch umstrittenen Frage nach dem Beitrag von Schulen zur Pandemie in Deutschland nachgegangen.
Eine Analyse von Meldedaten und Studien lege nahe, dass Schülerinnen und Schüler »eher nicht als «Motor» eine größere Rolle spielen«, aber dass es auch bei ihnen zu Übertragungen komme und Ausbrüche verhindert werden müssten. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten RKI-Online-Publikation hervor. Schulausbrüche stehen demnach in engem Zusammenhang mit der Inzidenz (Fallzahlen pro 100.000 Einwohner) in der Bevölkerung.
Lehrkräfte spielten »eine vielleicht wichtigere Rolle« als Schüler, heißt es. »Auftretende Ausbrüche sind im Regelfall im beobachteten Zeitraum klein und etwa die Hälfte beschränkt sich auf die Jahrgänge oder Klassen«, stellten die Wissenschaftler fest. Größere Ausbrüche - in einem Fall mit 55 Fällen - kämen zwar vor, seien aber »insgesamt ein seltenes Ereignis«.
Der Hauptfokus der Untersuchung lag auf Ausbrüchen, die zwischen Anfang August und Mitte Dezember ans RKI gemeldet wurden, also zwischen Ende der Sommerferien in ersten Bundesländern und dem Beginn des verschärften bundesweiten Lockdowns.
Als auffällig beschreiben die Wissenschaftler einen weiteren linearen Anstieg der Schulausbrüche auch nach Beginn des Lockdown light Ende 2020. Diese gingen vor allem auf die jüngeren Altersgruppen zurück. »Dies deutet daraufhin, dass auch unter jüngeren Altersgruppen Transmissionen (Anm: Übertragungen) im Schulsetting stattfinden.«
Grundsätzlich seien alle Altersgruppen und Lehrkräfte in Schulausbrüchen vertreten, hieß es weiter. Das höchste relative Risiko, darin involviert zu sein, hätten Lehrkräfte. Es sei anzunehmen, dass deren Kontaktmuster sich von dem der Schüler unterscheidet, etwa durch Begegnungen im Kollegium und mit Eltern.
Bedenken muss man bei der Untersuchung, dass die Autoren vor allem auf Meldedaten blicken, die auf laborbestätigten Corona-Fällen beruhen. Sie weisen selbst auf eine Reihe von damit verbundenen Einschränkungen hin: Insbesondere Grundschüler wiesen relativ häufig keine Symptome auf oder der Beginn der Erkrankung lasse sich schwer zuordnen. Möglicherweise werde eine »größere Anzahl« asymptomatischer Infizierter verpasst und die Größe von Ausbrüchen unterschätzt. Anhand einer großen österreichischen Studie könne aber angenommen werden, »dass dieser Fehler vermutlich nicht substanziell groß ist«.
Die neuen Corona-Varianten, insbesondere die in Großbritannien entdeckte Mutante B.1.1.7 stellen den Autoren zufolge »neue Herausforderungen dar«. Die leichtere Übertragbarkeit scheine auf alle Altersgruppen zuzutreffen. »Das könnte bei einer Ausbreitung ansteckungsfähigerer Varianten bedeuten, dass Schulen einen größeren Beitrag zum Infektionsgeschehen spielen könnten«. Empfohlen wird, dies bei Öffnungsüberlegungen zu beachten. Seit Wochen wird in Deutschland ein Anstieg des Anteils der Mutante B.1.1.7 an den positiven Corona-Proben in Deutschland beobachtet.
Schulschließungen und Wiedereröffnungen sollten den Fachleuten zufolge »unbedingt« in den Kontext der Gesamtinzidenz in der Region gesetzt werden und in der Reihenfolge nach Altersgruppen priorisiert erfolgen. Für eine Öffnung wird empfohlen, bei den unteren Klassenstufen zu beginnen. Für ältere Schüler schienen Modelle wie Wechselunterricht eine gute Option zu sein, so die Autoren.
Der Berliner Virologe Christian Drosten hatte sich Anfang Februar im Podcast »Coronavirus-Update« (bei NDR-Info) zum wiederholten Mal zu der Frage geäußert, ob Kinder oder Schulen denn nun Treiber der Pandemie seien. Er appellierte, sich »von dieser blöden Idee« zu verabschieden, dass irgendeine Gruppe der spezielle Treiber des Geschehens sei. »Wir leisten alle den gleichen Beitrag zu diesem Problem«, sagte der Charité-Experte. Der Vergleich zwischen der Pandemie, bei der alle empfänglich sind für das neue Virus, mit der Grippewelle hinke. Bei Influenza gelten Kinder tatsächlich als Treiber von Ansteckungen. (dpa)