Polen gibt sich mit der von Deutschland angebotenen Kompensation für die Lieferung von mehr als 200 Panzern sowjetischer Bauart in die Ukraine bei weitem nicht zufrieden. Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak sagte in einem Interview, dass die Bundesregierung 20 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4 liefern wolle, die erst in 12 Monaten einsatzfähig wären. Polen erwarte aber mindestens 44 Panzer, um ein Panzerbataillon ausstatten zu können.
»Sicherlich gibt es Geschenke, die man nur mit großer Vorsicht annehmen sollte«, sagte der Minister dem Nachrichtenportal »wPolityce.pl«. »Ihr geringer Wert dient später als nützlicher Vorhang, um die viel brutalere Realität zu verschleiern.« Zuvor hatte Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek im »Spiegel« von einem »Täuschungsmanöver« Deutschlands gesprochen.
Bundesregierung weiter zu Gesprächen bereit
Ein Sprecher der Bundesregierung erklärte am Samstag dazu auf dpa-Anfrage, man habe die Äußerungen zur Kenntnis genommen. »Die Bundesregierung ist weiterhin bereit, auch mit Polen einen Ringtausch zu organisieren.« In Berlin hieß es aber auch, man sei verwundert über die scharfen politischen Töne aus Polen. Auf Fachebene seien die Gespräche immer konstruktiv gewesen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wies den Vorwurf des Wortbruchs zurück. »In so einer Situation täuscht niemand seinen europäischen Nachbarn«, sagte sie in einem »Bild«-TV-Interview. Sie räumte aber ein, dass die Ringtausche mit Nato-Partnern zur Versorgung der ukrainischen Armee mit schweren Waffen nicht so laufen wie geplant.
Scholz stellte baldige Vereinbarungen in Aussicht
Ringtausch bedeutet, dass osteuropäische Bündnispartner Waffen sowjetischer Bauart in die Ukraine liefern und dafür Waffen aus Deutschland als Ausgleich erhalten. Die Waffen sowjetischer Bauart können von den ukrainischen Soldaten leichter bedient werden als Geräte aus westlicher Produktion, die für sie neu sind.
Die Bundesregierung hat mit Ländern wie Tschechien, Griechenland, Polen, der Slowakei und Slowenien Gespräche geführt, um Ringtausche zu organisieren. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Anfang Juli im Bundestag baldige Ergebnisse in Aussicht gestellt. Die Bundesregierung habe »mit mehreren Ländern diese Vereinbarungen jetzt soweit konkretisiert, dass sie unmittelbar mit Auslieferung verbunden sein werden.« Seitdem sind aber keine neuen Vereinbarungen bekannt gegeben worden.
Modelle aus den 60er und 70er Jahren im Angebot
Polen hat die Ukraine mit mehr als 200 T-72-Panzern sowjetischer Bauart unterstützt. Die Lieferung war bereits im April in die Wege geleitet worden. Von den Bündnispartnern fordert die Regierung in Warschau Ersatz, um selbst verteidigungsfähig zu bleiben.
Aus dem deutschen Verteidigungsministerium heißt es, dass Polen schon in einer frühen Phase der Verhandlungen 100 verfügbare Panzer vom Typ Leopard 1 in gutem Zustand angeboten worden seien. Diese habe Polen als zu alt abgelehnt. Es sei deutlich geworden, dass Polen auf dem Leopard 2 bestehe. Aus Beständen der Bundeswehr seien diese aber nicht zu liefern.
Beide von Deutschland angebotenen Leopard-Varianten sind älterer Bauart. Der erste Prototyp des Kampfpanzers Leopard 1 stammt aus dem Jahr 1963, der erste Leopard 2A4 wurde 1979 an die Bundeswehr ausgeliefert. Die modernste Version ist der 2A7+ aus dem Jahr 2010.
»Nicht von heute auf morgen mit einem Fingerschnips«
»Von Anfang an war klar, dass wir natürlich nicht von heute auf morgen mit einem Fingerschnips jeden einzelnen Panzer ersetzen können«, sagte Baerbock zu den Schwierigkeiten. »Aber offensichtlich ist mit Blick gerade auf Polen die Situation so, dass wir nicht zu einer Lösung kommen.« Das gehe »natürlich allen an die Nieren«.
Baerbock stellte die Ringtausche auch grundsätzlich in Frage. Man habe ursprünglich geglaubt, dass sie der schnellste Weg seien, um der Ukraine in ihrem Kampf gegen die russischen Angreifer zu helfen. »Wenn dieser Weg nicht richtig war - und ich weiß nicht, wer in Kriegssituationen immer sofort weiß, das ist der perfekt richtige Weg - dann müssen wir das natürlich reflektieren und schauen, wie wir dann anderweitig aktiv werden können.«
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