Kriege, Krisen und der Klimawandel sorgen im kommenden Jahr für einen Rekordbedarf an humanitärer Hilfe. Um die größte Not zu lindern, brauchen die Vereinten Nationen und ihre Partner nach einer ersten Schätzung im nächsten Jahr 51,5 Milliarden Dollar (etwa 49,6 Mrd Euro), wie das UN-Nothilfebüro (OCHA) in Genf berichtete.
Das sind 25 Prozent mehr als das, was das Büro Ende 2021 als Bedarf für dieses Jahr geschätzt hatte. Das Büro sieht 339 Millionen Menschen in 68 Ländern in Not, 65 Millionen mehr als vor einem Jahr.
»Die humanitären Bedürfnisse sind schockierend groß«, sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths. Das liege daran, dass die Extremereignisse dieses Jahres sich auch 2023 auswirkten. Er nannte unter anderem die verheerenden Dürren und Überschwemmungen von Pakistan bis zum Horn von Afrika und den russischen Krieg gegen die Ukraine mit den Folgen, unter anderem explodierende Preise in aller Welt.
Deutschland unter größten Gebern
Griffiths lobte Deutschland, weil es trotz Wirtschaftssorgen und Energiekrise die humanitäre Hilfe ausbaue. Deutschland war nach OCHA-Daten der größte Geber hinter den USA und vor der Europäischen Kommission. Griffiths sprach sich für eine Gewinnsteuer auf die Profite der Erdöl- und Gasfirmen aus, um mit dem Geld die Folgen des Klimawandels in ärmeren Ländern abzufedern.
OCHA rechnet damit, das Ende dieses Jahres mindestens 222 Millionen Menschen in 53 Ländern nicht genügend Nahrungsmittel haben. 45 Millionen dürften vom Hungertod bedroht sein. Besonders groß ist der Finanzbedarf in Syrien, Afghanistan, dem Jemen und Äthiopien. Zahlenmäßig sind die meisten Menschen in Äthiopien, Afghanistan und im Jemen auf Hilfe angewiesen, in jedem Land mehr als 25 Millionen. Groß sei der Hilfsbedarf auch für Somalia: Benötigt würden für rund 7,8 Millionen Bedürftige 2,27 Milliarden Dollar.
Bargeld am effektivsten
Die Unterstützung Bedürftiger mit Bargeld erweise sich als effektivste Maßnahme, sagte Griffiths. Das sei leichter zu verteilen als Hilfsgüter mit Lastwagen herbeizuschaffen, es gebe Empfängerinnen und Empfängern die Möglichkeit, Prioritäten zu setzen, und das Geld bleibe im lokalen Wirtschaftskreislauf. Es habe noch nie größere Probleme oder Betrug dabei gegeben.
Griffiths appellierte an Regierungen, neben der humanitären Nothilfe mehr Geld für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Menschen zu einer besseren Lebensgrundlage zu verhelfen und wegen möglicher Katastrophen vorzusorgen, sei immer kostengünstiger, als in einer katastrophalen Lage später Nothilfe zu leisten.
Für 2022 hatte OCHA den Bedarf zunächst auf 41 Milliarden Dollar geschätzt. Die Zahl stieg im Laufe des Jahres auf fast 52 Milliarden. Bis Ende November kamen davon knapp 47 Prozent zusammen.
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