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Reise von Buschmann nach Israel wird zum Balanceakt

Es ist kein einfacher Zeitpunkt für einen Besuch des Justizministers in Israel. Die dortige Regierung treibt seit Wochen eine tiefgreifende Schwächung des Justizsystems voran - unter massivem Protest.

Justizminister Buschmann in Israel
Justizminister Marco Buschmann legt bei seinem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz in der Halle der Erinnerung nieder. Foto: Ilia Yefimovich
Justizminister Marco Buschmann legt bei seinem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz in der Halle der Erinnerung nieder.
Foto: Ilia Yefimovich

Der Besuch von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in Israel kommt zu einer brisanten Zeit. Seit Wochen gehen Zehntausende Menschen gegen eine von Israels neuer Regierung geplante Justizreform auf die Straßen. Wenige Stunden nach Buschmanns Ankunft im Land am Montag billigte das Parlament in Jerusalem einen Teil des umfassenden Gesetzesvorhabens in der ersten von drei Lesungen. Zeitgleich kam es in Jerusalem und weiteren Landesteilen erneut zu Massenprotesten.

Entmachtung des Höchstes Gerichts geplant

Nach Plänen der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll es dem - aktuell von ihr dominierten - Parlament künftig möglich sein, mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem sollen Politiker bei der Richterernennung mehr Einfluss erhalten. Das Gesetzesvorhaben, das noch zahlreiche weitere tiefgreifende Veränderungen umfasst, könnte Netanjahu auch in dem derzeit gegen ihn laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen.

Kritiker sehen die demokratische Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer Verfassungskrise. Die Regierung argumentiert dagegen, das Höchste Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus. Weil Israel keine schriftliche Verfassung hat und der Staat stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen fußt, kommt dem Höchsten Gericht besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.

Oppositionsführer Jair Lapid teilte mit, die Geschichte werde die Mitglieder der Regierung für die Abstimmung richten. »Für den Schaden an der Demokratie, für den Schaden an der Wirtschaft, für den Schaden an der Sicherheit.« Mehrere Abgeordnete der Opposition, die das Vorhaben als »Staatsstreich« bezeichnet, riefen während der Sitzung am späten Abend »Schande, Schande« ins Plenum.

Buschmann: »Wir haben eine Differenz«

Inmitten dieser Spannungen traf Justizminister Buschmann am Montag zu einem zweitägigen Besuch in Israel ein. Ursprünglich sollte er nur eine Wanderausstellung eröffnen, die sich mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Justizministeriums befasst. Nun standen jedoch auch heikle politische Gespräche auf dem Programm.

Am Dienstag traf er sich unter anderem mit seinem israelischen Amtskollegen, Jariv Levin. »Ich bin gekommen als Freund, der hören wollte, was die Argumente auf beiden Seiten sind«, sagte der FDP-Politiker in Jerusalem. Er habe mit Levin ernsthaft und detailliert über die umstrittenen Pläne der neuen rechts-religiösen Regierung gesprochen. »Und in aller Freundschaft muss ich sagen: Am Ende haben wir hier eine Differenz«.

Levin plant bereits seit Jahrzehnten den Umbau des Justizsystems. Nach der Abstimmung in der Knesset sagte er, er sei zwar zu Dialog bereit, aber gleichzeitig »entschlossen, die Reform zu verabschieden, und nichts wird mich davon abhalten«.

Umstrittene Israel-Reise

Buschmann traf sich zudem mit Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara und der Präsidentin des Höchsten Gerichts, Esther Chajut. Es sei deutlich geworden, dass eine »ernsthafte Debatte stattfindet, die viele Menschen sehr belastend, teils als sehr polarisierend empfinden«. Er sei jedoch nicht gekommen, um sich »aufzuspielen als jemand, der in einem Streit entscheiden könnte«.

Mahnende Worte fand Buschmann nach seiner Ankunft am Montag dennoch - ohne direkt die Pläne der israelischen Regierung anzusprechen. »Aus der Geschichte zu lernen, bedeutet zu erkennen, dass man breite Mehrheiten suchen sollte, wenn man die Spielregeln des demokratischen Wettbewerbs und das Zusammenspiel der Verfassungsorgane verändern möchte«, sagte Buschmann bei der Ausstellungseröffnung in Tel Aviv. In Deutschland seien Änderungen des Grundgesetzes nur mit einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat möglich. »Das gelingt regelmäßig nur dann, wenn auch große Teile der Opposition von der Notwendigkeit der Änderung überzeugt sind.«

Aufgrund der historischen Verantwortung für den Holocaust ist Deutschland bei der Bewertung israelischer Politik traditionell eher zurückhaltend. Wie der »Spiegel« berichtete, gilt die Reise innerhalb der Regierung auch nicht als unumstritten. So soll Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sogar zunächst von Ministerreisen nach Israel abgeraten haben - da es noch keine klare gemeinsame Linie zum Umgang mit der neuen Regierung in Israel geben soll.

© dpa-infocom, dpa:230220-99-668843/8