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Regierung will kürzere Haft bei nicht bezahlter Geldstrafe

Soll das Fahren ohne gültigen Fahrschein eine Straftat bleiben oder nicht? Mit der Antwort will sich der Bundesjustizminister 2023 befassen. Jetzt hat die Regierung erst einmal einige andere Änderungen im Sanktionenrecht beschlossen.

Justiz
Blick auf die Fassade einer Justizvollzugsanstalt in Düsseldorf. Foto: Christophe Gateau
Blick auf die Fassade einer Justizvollzugsanstalt in Düsseldorf.
Foto: Christophe Gateau

Wer eine Geldstrafe nicht zahlen kann oder will, soll dafür künftig nicht mehr so lange ins Gefängnis müssen wie bisher. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundeskabinett an diesem Mittwoch verabschiedet. Er sieht vor, dass ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe künftig nicht mehr einem, sondern zwei sogenannten Tagessätzen entsprechen soll. Die Zeit hinter Gittern würde dadurch also halbiert. Die Höhe des Tagessatzes orientiert sich grundsätzlich am Einkommen des Beschuldigten.

Mit der Frage, ob das Schwarzfahren künftig womöglich keine Straftat mehr sein soll, sondern nur noch eine Ordnungswidrigkeit, beschäftigt sich dieser Entwurf zur Überarbeitung des Sanktionenrechts nicht. Laut Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) soll die Möglichkeit einer solchen Reform im kommenden Jahr geprüft werden.

Gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigt

Der Entwurf, dem der Bundestag noch zustimmen muss, sieht auch vor, dass der Katalog der Gründe, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, erweitert werden soll. Der entsprechende Paragraf des Strafgesetzbuches, in dem bereits »rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende« Motive aufgezählt werden, soll um »geschlechtsspezifische« und »gegen die sexuelle Orientierung« gerichtete Beweggründe ergänzt werden. Damit hätten etwa Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, weil sie glauben, sie dürften über das Leben der Frau bestimmen, höhere Strafen zu erwarten als bisher. Die Anpassung soll auch für Taten gelten, die sich etwa gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität von Menschen richten.

Strenger gefasst werden sollen die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Ziel der geplanten Änderung ist hier, die Kapazitäten auf Suchtkranke zu konzentrieren, die tatsächlich der Behandlung bedürfen. Um keine falschen Anreize für Beschuldigte zu setzen, die eigene Drogensucht aus taktischen Gründen zu betonen, soll die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung auch für Straffällige in solchen Kliniken grundsätzlich erst nach zwei Drittel der Strafzeit möglich sein, aktuell ist das schon zur Hälfte der Strafzeit möglich. »In den letzten Jahren hat die Zahl der Menschen drastisch zugenommen, die nach einer strafgerichtlichen Verurteilung in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind«, sagte Buschmann. Viele Kliniken seien überlastet.

In der internen Abstimmung waren noch kleinere Änderungen an dem von Buschmann vorgelegten Entwurf vorgenommen worden. Nicht erst nach fünf Jahren, sondern bereits nach drei Jahren soll jetzt geschaut werden, wie sich die Zahl derjenigen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen, in Relation zur Anzahl der Geldstrafen entwickelt hat. Außerdem soll geschaut werden, wie sich der neue Umrechnungsmaßstab auf die Zahlungsbereitschaft der Beschuldigten auswirkt.

Erlaubt werden soll künftig eine zweckgebundene Übermittlung personenbezogener Daten an private Träger der Straffälligenhilfe. Deren Sozialarbeiter können Verurteilten dann Möglichkeiten aufzeigen, »die Geldstrafe in Ratenzahlungen zu tilgen oder durch gemeinnützige Arbeit abzuleisten, um so die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden«. Darauf, dass dieser Passus eingefügt wird, hatten die Justizminister der Länder gedrungen.

DAV: Weitreichendere Reform gewünscht

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hätte sich eine noch weitreichendere Reform des Sanktionenrechts gewünscht. Er will, dass Schwarzfahren nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit, gilt. Ersatzfreiheitsstrafen sollten abgeschafft »oder zumindest auf Zahlungsunwillige beschränkt werden«.

Der Deutsche Richterbund sprach sich dafür aus, den Straftatbestand der Beförderungserschleichung auf einen »strafwürdigen Kern« zu beschränken. »Das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Fahrschein sollte nur noch strafbar sein, wenn die Betroffenen Zugangsbarrieren überwinden oder Zugangskontrollen umgehen«, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Wer in einen Bus oder eine Straßenbahn einsteige, ohne eine Form der Täuschung zu begehen oder einen technischen Schutz gegen Schwarzfahrten zu umgehen, sollte nicht mehr mit Strafe bedroht werden. Für diese Fälle seien die zivilrechtlichen Ersatzansprüche der Verkehrsunternehmen, wie das erhöhte Beförderungsentgelt, ausreichend.

In erster Linie seien die Verkehrsbetriebe selbst gefordert, Schwarzfahrten durch wirksame technische Zugangsbeschränkungen und häufigere Kontrollen effektiver vorzubeugen. Rebehn rechnete vor: »Würde der Straftatbestand wie vorgeschlagen beschränkt, würden im Ergebnis auch die Gefängnisse entlastet, weil circa ein Viertel aller Ersatzfreiheitsstrafen auf Schwarzfahrten zurückgeht.«

© dpa-infocom, dpa:221221-99-981328/2