BERLIN. Auf Video aufgenommenes rassistisches Gegröle zum Party-Hit »L’amour Toujours« von Gigi D'Agostino hat bundesweit Empörung ausgelöst. In der kurzen Sequenz, die in sozialen Medien verbreitet wurde, sind junge Menschen grölend vor einem Lokal zu sehen. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art mit dem Lied in Deutschland. Die Polizei ermittelt.
Das Lokal Pony im Sylter Nobel-Urlaubsort Kampen distanzierte sich in der Nacht von den Gästen und kündigte Konsequenzen an. In der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, die seit Donnerstag in den sozialen Medien viral geht, grölen junge Männer und Frauen zur Melodie des Party-Hits »Ausländer raus« und »Deutschland den Deutschen«. Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart anzudeuten.
Ganz unironisch würde vermutlich jeder Mensch, der im Obergeschoss nicht nur teilmöbeliert ist, sagen: »Was sind das für privilegierte, unsympathische und rassistische Intelligenzallergiker.« Oder nicht?
— Mad Scientist (@MadScientastic) May 24, 2024
Das Internet vergisst solche »Ausrutscher« zum Glück nicht.#sylt pic.twitter.com/SPkgXLpJta
»Es gibt keinen Platz für Rassismus!!!«
Die Betreiber des Lokals erklärten auf Instagram zu dem Video, sie seien »tief schockiert«. »Wir distanzieren uns von jeder Art von Rassismus und Diskriminierung. Hätten wir von dem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus!!!«, schrieben die Betreiber des Lokals auf Instagram. Jeder Gast unabhängig von der Ethnie sei herzlich willkommen. Die Betreffenden bekämen Hausverbot, hieß es. In einem weiteren Beitrag schrieben die Betreiber, sie hätten nun die Namen »dieser Nazis zugespielt« bekommen. »Wir werden dieses widerliche Verhalten anzeigen und alle strafrechtlichen Möglichkeiten nutzen!!!«
Das Fachkommissariat für Staatsschutz hat wegen eines Videos mit rassistischem Gegröle Ermittlungen wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen aufgenommen. Das teilte die Polizei mit.
Der Vorfall ereignete sich nach ersten Erkenntnissen bereits am Pfingstwochenende. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Flensburg und der Polizei richten sich den Angaben zufolge zunächst gegen die Personen, »die auf dem Video offensichtlich die oben genannten Äußerungen mitsingen bzw. Kennzeichen tätigen«. Es sei aber nicht auszuschließen, dass weitere Tatverdächtige hinzukommen, die auf diesem Video nicht zu sehen seien. Ersten Hinweisen auf beteiligte Personen werde nachgegangen.
»Schande für Deutschland«
Der Vorfall wirft aus Sicht von Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein schlechtes Licht auf das ganze Land. »Wer Nazi-Parolen wie «Deutschland den Deutschen – Ausländer raus» grölt, ist eine Schande für Deutschland«, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es stelle sich die Frage, »ob wir es hier mit Menschen zu tun haben, die in einer wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft leben, die die Werte unseres Grundgesetzes mit Füßen tritt.« Die Frage sei auch, welches hasserfüllte Klima solche Leute dazu ermutige, sich so abgrundtief rassistisch in aller Öffentlichkeit zu äußern.
»Hier darf es keinerlei schleichende Normalisierung geben«, forderte die Ministerin. Rassisten müssten neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen überall – im Freundeskreis, bei der Arbeit, im Sport – lauten Widerspruch erfahren. »Es ist wichtig, den Mund aufzumachen und gegenzuhalten gegen solchen Menschenhass«, rief Faeser zur Zivilcourage auf.
Die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli schrieb auf der Plattform X: »«Deutschland den Deutschen. Ausländer raus. Ausländer raus.» Ort: Sylt. Und sie fühlen sich so sicher.« Der TV-Moderator Jan Böhmermann fragte: »Wer und wo sind diese Leute?« Und die Moderatorin Dunja Hayali twitterte: »Mit Hitlerbärtchen und Schampus, aber ohne «Ausländer». #Sylt. 2024.«
»Das darf nicht folgenlos bleiben«
Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Diese unverhohlene «Ausländer-raus-Stimmung» erleben wir auch in unserer Beratung, Menschen werden diskriminiert und herabgewürdigt.«
»Das ist blanker Rassismus, der sich immer weiter in alle Milieus und Altersgruppen hineinfräst und offen ausgelebt wird«, erklärte Ataman. »Die Bilder stammen offenbar nicht aus einer Nazikneipe, sondern einer Nobelbar in Sylt. Rassismus darf aber in Deutschland nie wieder zum Normalfall werden.« Sie begrüßte die Aufnahme polizeilicher Ermittlungen. »Das darf nicht folgenlos bleiben.«
Eine der an dem Gegröle beteiligten jungen Frauen mit Sonnenbrille im Haar und weißer Bluse hatte die Szene gefilmt. Die Umstehenden singen und wippen, haben Gläser mit Getränken in den Händen. An dem Gegröle scheint sich niemand zu stören.
Immer wieder rassistische Ausfälle zum Song »L’amour Toujours«
Es ist nicht das erste Mal, dass es im Zusammenhang mit dem Song »L’amour Toujours« zu rassistischen Ausfällen gekommen ist. In Niederbayern ermittelte die Polizei nach einem möglichen Vorfall bei einem Faschingszug im Januar. Bei der Veranstaltung in Stulln (Landkreis Schwandorf) habe eine Gruppe von Zuschauern »Ausländer raus« skandiert, als von einem Wagen das Lied von Gigi D'Agostino gespielt wurde, sagte ein Zeuge örtlichen Pressevertretern. Zuvor hatten ähnliche Vorfälle unter anderem in Landsberg am Lech in Oberbayern Ermittler auf den Plan gerufen. Dort sollen mehrere Menschen auf einem Zugwagen zu dem Lied ebenfalls »Ausländer raus« skandiert haben.
Die Polizei ermittelte wegen des Verdachts der Volksverhetzung und suchte nach Zeugen. Auch in Schleswig-Holstein nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Laut Polizei war dort am 17. Januar eine Anzeige eingegangen, nachdem in einer Diskothek zu dem Lied Besucher »Ausländer raus« gesungen hätten. Der Vorfall soll sich am 7. Januar ereignet haben. (dpa)