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Raketeneinschlag in Klinik: Proteste in muslimischer Welt

Nachdem eine Rakete in ein Krankenhaus im Gazastreifen eingeschlagen ist, gehen Menschen in etlichen Ländern auf die Straße. Jordanien sagt ein für heute geplantes Treffen mit US-Präsident Biden ab.

Nahost - Proteste in Istanbul
Menschen versammeln sich aus Solidarität mit den Palästinensern vor dem israelischen Konsulat in Istanbul. Foto: Emrah Gurel/DPA
Menschen versammeln sich aus Solidarität mit den Palästinensern vor dem israelischen Konsulat in Istanbul.
Foto: Emrah Gurel/DPA

Nach einem Raketeneinschlag in einem Krankenhaus im Gazastreifen mit zahlreichen Opfern ist es in mehreren muslimisch geprägten Ländern zu spontanen Protesten gekommen. In Amman versuchten Demonstranten zur israelischen Botschaft zu gelangen, wie die jordanische Nachrichtenagentur Petra meldete. Berichte über die Stürmung des Gebäudes wiesen jordanische Sicherheitskreise den Angaben nach zurück. Die Demonstranten seien aus dem Bereich entfernt worden. Videos in den sozialen Medien zeigten, wie sie »zur Botschaft« riefen.

Vor dem israelischen Konsulat in der türkischen Millionenmetropole Istanbul versammelten sich ebenfalls zahlreiche Demonstranten. Einige schwenkten palästinensische Flaggen und skandierten: »Nieder mit Israel!«, wie eine Übertragung der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zeigte. Die Polizei war demnach mit einem Großaufgebot vor Ort, um das Konsulat im Stadtteil Levent zu schützen.

Vielerorts Trauertag ausgerufen

In Tunesiens Hauptstadt Tunis protestierten Hunderte nach dem Vorfall vor der Botschaft Frankreichs, wie die Staatsagentur TAP meldete. Auch im irakischen Bagdad versammelten sich Augenzeugen zufolge Hunderte im Zentrum der Stadt.

In den südlichen Vororten von Beirut strömten Augenzeugen zufolge Hunderte Hisbollah-Anhänger auf die Straßen und forderten, Tel Aviv zu bombardieren. In Beirut setzte die Polizei laut Zeugenaussagen Tränengas gegen Demonstranten nahe der US-Botschaft ein.

Im Iran rief eine Menge im Stadtzentrum Teherans »Nieder mit Israel«, wie Videos der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zeigten. Die Regierung erklärte den heutigen Mittwoch zum Trauertag. Irans Außenamtssprecher verurteilte den Angriff aufs Schärfste und machte den Erzfeind Israel verantwortlich. Weit nach Mitternacht zogen Menschenmassen vor die britische Botschaft und schwenkten palästinensische Flaggen. Auch vor der französischen Vertretung gab es Proteste.

Mehrere Staaten kündigten Trauertage für die Opfer an.

Israels Militär: »Haben das Krankenhaus nicht getroffen«

Israels Militär wies die Verantwortung für den Raketeneinschlag indes klar zurück. »Das Krankenhaus wurde durch eine fehlgeschlagene Rakete der Terrororganisation Islamischer Dschihad getroffen«, teilte die Armee in der Nacht mit.

Zuvor hatte es noch vom Militär genießen, alles »deute darauf hin«, dass die militante Palästinenserorganisation verantwortlich sei. Eine zusätzliche Überprüfung der operativen und nachrichtendienstlichen Systeme habe nun ergeben, »das israelische Militär hat das Krankenhaus in Gaza nicht getroffen«. Militärsprecher Daniel Hagari kündigte an, Beweise für die Annahme öffentlich machen zu wollen.

Das Gesundheitsministerium im Gazastreifen, das der islamistischen Hamas unterstellt ist, hatte mitgeteilt, dass bei einem israelischen Luftangriff auf die Klinik »mehrere Hundert« Menschen getötet und verletzt worden seien. Eine genaue Zahl nannte das Ministerium nicht.

Emirate verurteilen »israelischen Angriff«

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verurteilten den Raketeneinschlag - und machten Israel dafür verantwortlich. Das Außenministerium des Golfstaats forderte eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten sowie, dass Zivilisten und zivile Einrichtungen nicht angegriffen werden.

Auch Marokko verurteilte die »Bombardierung« des Krankenhauses »durch israelische Streitkräfte« »aufs Schärfste«. Das Land forderte, sicherzustellen, »dass Zivilisten von allen Parteien geschützt und nicht zur Zielscheibe werden«. Auch Bahrain schloss sich der Kritik am »israelischen Bombenanschlag« an. Das Land unterstütze »alle regionalen oder internationalen Bemühungen zur Deeskalation und Beendigung der Gewalt«.

UN-Generalsekretär entsetzt

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich bestürzt. »Ich bin entsetzt über die Tötung Hunderter palästinensischer Zivilisten heute bei einem Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza, den ich aufs Schärfste verurteile«, schrieb Guterres bei x, vormals Twitter. 

»Mein Herz ist bei den Familien der Opfer. Krankenhäuser und medizinisches Personal unterliegen dem Schutz des humanitären Völkerrechts.«

Frankreich verurteilt »Angriff auf Krankenhaus«

Der französische Präsident Emmanuel Macron verurteilte den Raketeneinschlag: »Nichts kann einen Angriff auf ein Krankenhaus rechtfertigen«, schrieb er in der Nacht bei X. »Nichts kann es rechtfertigen, Zivilisten ins Visier zu nehmen.«

Die Umstände müssten in vollem Umfang aufgeklärt werden. Seine Gedanken seien bei den Opfern. Konkrete Schuldzuweisungen sprach er nicht aus. In einem weiteren Tweet forderte er, der Zugang für humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen müsse unverzüglich wieder geöffnet werden.

Biden »empört und betrübt«

US-Präsident Joe Biden reagierte mit Bestürzung. Er sei »empört und zutiefst betrübt« über die Explosion in dem Krankenhaus und den schrecklichen Verlust von Menschenleben, der dadurch verursacht worden sei, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme Bidens, die vom Weißen Haus veröffentlicht wurde.

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls habe er mit Jordaniens König Abdullah II. und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gesprochen und sein Team angewiesen, weitere Informationen über den genauen Hergang zu sammeln. »Die Vereinigten Staaten treten unmissverständlich für den Schutz der Zivilbevölkerung während eines Konflikts ein, und wir trauern um die Patienten, das medizinische Personal und andere Unschuldige, die bei dieser Tragödie getötet oder verwundet wurden«, hieß es weiter in der Stellungnahme.

Biden war gestern Abend nach Israel aufgebrochen, wo er heute zu einem Kurzbesuch erwartet wird. Ursprünglich hatte der US-Präsident im Anschluss nach Jordanien weiterreisen wollen, um dort noch heute mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi und dem jordanischen König Abdullah II. zusammenzukommen. Nach dem Raketeneinschlag wurde das Treffen in Jordanien jedoch kurzfristig abgesagt.

© dpa-infocom, dpa:231018-99-602848/20