Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, hat erneut Rückschläge im juristischen Tauziehen um seine geplante Auslieferung in die USA hinnehmen müssen. Ein Richter am Londoner High Court lehnte zwei von Assanges Anwälten eingereichte Anträge auf Berufung ab. Dies geht aus Gerichtsdokumenten hervor, die der Deutschen Presse-Agentur am Freitag vorlagen.
Assange wollte sowohl gegen die ursprüngliche Gerichtsentscheidung über seine Auslieferung als auch gegen den Auslieferungsbescheid der britischen Regierung in Berufung gehen. Beide Anträge beschied der Richter jedoch als unzulässig, wie aus den auf Dienstag datierten Dokumenten hervorgeht.
Die Gefahr, dass der 51-Jährige tatsächlich an die USA überstellt werde, sei »nun so real wie nie zuvor«, teilte die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) als Reaktion auf die Ablehnung mit. Sie rief die US-Regierung dazu auf, dem »unerbittlichen Feldzug gegen Assange ein Ende zu setzen«. An US-Präsident Joe Biden gerichtet, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr: »Lassen Sie die Anklage fallen, stellen Sie das Verfahren ein und ermöglichen Sie, dass Julian Assange umgehend freikommt.«
Weiterhin optimistisch
Assanges Frau Stella schrieb auf Twitter, der gebürtige Australier werde in der kommenden Woche einen weiteren Antrag am High Court stellen. Dieser werde bei einer öffentlichen Anhörung von zwei Richtern geprüft. »Wir sind weiterhin optimistisch, dass wir uns durchsetzen werden und Julian nicht an die USA ausgeliefert wird«, schrieb Stella Assange. RSF zufolge bleibt andernfalls nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Doch sei fraglich, ob dessen Entscheidung die Auslieferung verhindern könne.
Das juristische Tauziehen um Assange dauert schon seit Jahren an. Die US-Justiz will ihm wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Assange wird vorgeworfen, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Unterstützer sehen in Assange einen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.
Assange sitzt seit seiner Festnahme im April 2019 im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Zuvor hatte er sich mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in der britischen Hauptstadt dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen.
Hoffen auf diplomatische Bemühungen
Neben dem juristischen Verfahren in London hoffen Assanges Familie und seine Unterstützer inzwischen zunehmend auf diplomatische Bemühungen. Die australische Regierung setzt sich inzwischen für eine Freilassung und ein Ende der Strafverfolgung ein. Regierungschef Anthony Albanese zeigte sich in einem Interview frustriert über den Fall. »Genug ist genug«, sagte er dem australischen Sender ABC vor wenigen Wochen. »Ich denke, dass der Fall Assange im Hinblick darauf betrachtet werden muss, was passiert ist, was die Anschuldigungen sind und ob die tatsächlich verbüßte Zeit über dem liegt, was angemessen wäre, wenn diese bewiesen würden«, so Albanese.
Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson hatte vor kurzem im Gespräch mit der dpa auch europäische Regierungen in die Pflicht genommen, sich für eine Freilassung einzusetzen. Insbesondere Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die Assange vor ihrem Eintritt in die Regierung unterstützt habe, rief er zu mehr Engagement auf.
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