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Putsch im Niger beunruhigt Paris - Lage weiter prekär

Der Militärputsch im Niger ruft international deutliche Kritik hervor. Frankreich bespricht die Lage im westafrikanischen Land nun sogar im nationalen Verteidigungsrat. Warum beobachtet Paris das Geschehen so genau?

Putsch im Niger
Die Afrikanische Union hat der Junta in Niger ein Ultimatum von 15 Tagen gestellt, um die demokratisch gewählte Regierung des Landes wieder einzusetzen. Foto: Sam Mednick/DPA
Die Afrikanische Union hat der Junta in Niger ein Ultimatum von 15 Tagen gestellt, um die demokratisch gewählte Regierung des Landes wieder einzusetzen.
Foto: Sam Mednick/DPA

Der Putsch im westafrikanischen Niger sorgt auch im Tausende Kilometer entfernten Frankreich für Unruhe. Unter Vorsitz von Präsident Emmanuel Macron traf der nationaler Sicherheits- und Verteidigungsrat zusammen, um über die Lage zu sprechen.

Im Anschluss teilte Paris mit, seine Budgethilfe an den Niger sowie sämtliche Entwicklungshilfsaktionen in dem Land mit sofortiger Wirkung auszusetzen. 2022 hatten die sogenannten ODA-Leistungen (Official Development Assistance) Frankreichs an den Niger laut Außenministerium rund 120 Millionen Euro betragen.

Am Mittwoch hatte die nigrische Präsidentengarde den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum mit einem Putsch abgesetzt. Der mutmaßliche Verantwortliche, General Omar Tchiani, erklärte sich am Freitag zum De-facto-Präsidenten. Die neuen Machthaber will Paris nicht anerkennen und fordert eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung um Bazoum. Den Putsch bezeichnete Macron als illegitim und gefährlich. Auch für Frankreich steht in dem westafrikanischen Staat einiges auf dem Spiel.

Der Niger wichtiger Partner beim Anti-Terror-Kampf

Die frühere Kolonialmacht Frankreich war in Westafrika jahrelang massiv im Einsatz gegen Islamistenmilizen; mit der Operation »Barkhane« zeitweise mit etwa 5000 Soldatinnen und Soldaten. Ein Schwerpunkt war dabei Mali. Mit dem Ende des Einsatzes dort nach erheblichen Reibereien mit der Militärregierung in der Hauptstadt Bamako verlegte Paris Soldaten in den Niger. Dort und im benachbarten Tschad sind derzeit etwa 2500 französische Streitkräfte stationiert.

Wenige Monate nach Mali forderten auch die aus einem Putsch hervorgegangenen Machthaber in Burkina Faso den Abzug französischer Truppen. Der Niger wurde zu einem der letzten lokalen Partner Frankreichs im Anti-Terror-Kampf im Sahel. Ende 2022 hatte auch die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um Terrorismus in der Region zu bekämpfen. Wie es damit weitergeht, ist unklar.

Die Sahel-Zone zieht sich vom Senegal im Westen bis nach Dschibuti im Osten. Sie leidet seit Jahren unter einer sich ständig verschlechternden Sicherheitslage. Viele Milizen, die zum Teil dem Islamischen Staat (IS) oder der Terrororganisation Al-Kaida die Treue geschworen haben, verüben regelmäßig Anschläge.

Putsch macht französischen Einflussverlust deutlich

Die Rückzüge aus Mali und Burkina Faso nach den dortigen Staatsstreichen waren für Frankreich herbe Rückschläge in ihrer Sahelpolitik. »Nach und nach endet für Frankreich eine historische Phase, eine postkoloniale Phase der militärischen Präsenz«, analysierte der Journalist mit Afrikaschwerpunkt, Antoine Glaser, im Sender France Info. »Von Mauretanien bis zum Sudan haben die Dschihadisten es geschafft, die westlichen Kräfte zu vertreiben.« Der Putsch in Niamey nähre den Gedanken, Frankreichs Strategie in der Region sei gescheitert, kommentierte die Zeitung »Libération«.

Angst vor russischem Einflussgewinn

Ein weiteres Zurückdrängen Frankreichs in der Region dürfte in Paris auch Ängste vor einer wachsenden russischen Einflussnahme in der Sahelzone schüren. Die militärischen Übergangsregierungen in Mali und Burkina Faso orientierten sich nach den Putschen in ihren Ländern Richtung Moskau.

Die Regierung des bisherigen nigrischen Präsidenten Bazoum hatte sich klar gegen eine Zusammenarbeit mit Russland ausgesprochen. Die neue Aufstellung im Land könnte nun »Russland die Tür öffnen, sich breitzumachen«, sagte der Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, der Deutschen Presse-Agentur.

Wenige Stunden nach dem Putsch begrüßte der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, den Umsturz im Niger als gewöhnlichen Kampf der Menschen gegen die früheren Kolonialherren, die ihnen ihren Lebensstil aufzwingen wollten. Prigoschin warb einmal mehr für den Einsatz seiner Wagner-Kämpfer.

Frankreich bezieht Uran aus Niger

Der Niger ist für Frankreich auch wirtschaftlich von Interesse, denn es bezieht Uran, das es für seine Atomkräfte benötigt, aus dem westafrikanischen Land. Der Sahel-Experte vom französischen Institut für internationale Beziehungen Ifri, Alain Antil, sagte der Zeitung »20Minutes« zufolge: »Auf die letzten zehn Jahre gesehen, war der Niger der fünftgrößte Lieferant für Frankreich.«

EU erkennt neue Behörden Nigers nicht an

Die EU erkennt die aus dem Putsch im Niger hervorgegangenen Behörden nicht an. Präsident Mohamed Bazoum sei demokratisch gewählt, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Samstag. »Er ist und bleibt daher der einzige rechtmäßige Präsident des Nigers.« Der »inakzeptable Angriff auf die Integrität der republikanischen Institutionen Nigers« werde sich auf die Partnerschaft der EU mit dem Land auswirken. So werde die Budgethilfe sofort eingestellt. Zudem würden alle Maßnahmen der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Allein für den Zeitraum von 2021 bis 2024 waren über ein Mehrjahresprogramm Unterstützungszahlungen von mindestens 503 Millionen Euro vorgesehen. Wie viel davon schon abgeflossen ist, war zunächst unklar.

Hintergründe des Militärputsches

Während der prowestliche, reformorientierte Bazoum ein wichtiger Verbündeter der EU und der USA im Kampf gegen den Terrorismus in der Sahelzone war, stand die Bevölkerung des Nigers ihm kritisch gegenüber. Die schlechte Sicherheitslage, hohe Arbeitslosigkeit und Hungerkrisen sorgten für viel Unmut seit Bazoums Amtsantritt im April 2021. Mehr als 40 Prozent der 26 Millionen Nigrer leben in extremer Armut, während der Regierung tiefgreifende Korruption und Selbstbereicherung vorgeworfen wird.

De-facto-Präsident Tchiani begründete den Putsch mit der zunehmenden Bedrohung durch den Terrorismus sowie »die schlechte sozioökonomische Regierungsführung«. Dass der Niger nicht mit den Machthabern im benachbarten Mali und Burkina Faso zusammengearbeitet habe, sei ebenfalls ein Fehler gewesen, gab er zu verstehen.

© dpa-infocom, dpa:230729-99-587896/7