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Putin befiehlt Raketenangriffe auf Ukraine

Viele Menschen in der ukrainischen Hauptstadt sind gerade auf dem Weg zur Arbeit, als die russischen Raketen einschlagen. Luftalarm wird ausgelöst. Der Krieg ist zurück in Kiew.

Ukraine-Krieg - Kiew
Nach Raketenangriffen steigt schwarzer Rauch über Kiew auf. Foto: ukrin
Nach Raketenangriffen steigt schwarzer Rauch über Kiew auf.
Foto: ukrin

Russland hat mehr als 80 Raketen auf Kiew und andere Städte in der Ukraine gefeuert. Die Angriffe am Montagmorgen töteten mindestens 14 Menschen landesweit, mindestens 97 wurden verletzt, wie der ukrainische Zivilschutz mitteilt. Allein in Kiew kamen nach Angaben von Bürgermeister Witali Klitschko fünf Menschen ums Leben, 52 wurden verletzt. Viele Menschen waren gerade auf dem Weg zur Arbeit.

Kremlchef Wladimir Putin nannte den Angriff eine Reaktion auf die »Terroranschläge« gegen russisches Gebiet. Am Samstag hatte eine Explosion die 19 Kilometer lange Brücke erschüttert, die Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet. Russland macht den ukrainischen Geheimdienst SBU verantwortlich.

Ziele der Präzisionswaffen seien die Energieinfrastruktur, militärische Anlagen und das Fernmeldewesen gewesen, sagte Putin bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates und drohte mit noch härterem Vorgehen. »Daran sollte niemand irgendwelche Zweifel haben.«

Russland feuert 83 Raketen ab

In Kiew schlugen die Geschosse laut Bürgermeister Witali Klitschko im Zentrum ein. In fast allen Landesteilen gab es Luftalarm. Die Strom- und Wasserversorgung brach mancherorts zusammen. Insgesamt habe Russland 83 Raketen abgefeuert, davon seien 43 abgefangen worden, teilte das ukrainische Verteidigungsministerium mit. Nach mehr als fünfeinhalb Stunden wurde der Luftalarm in Kiew aufgehoben.

Der ukrainische Geheimdienst SBU hat eine Beteiligung an der Explosion auf der Krim-Brücke nicht eingeräumt. Die SBU-Zentrale liegt im Zentrum Kiews. Moskau hatte wiederholt gedroht, Kommandostellen in der ukrainischen Hauptstadt zu beschießen, wenn der Beschuss russischen Gebiets nicht aufhöre.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wies dies scharf zurück. »Nein, Putin wurde nicht von der Krim-Brücke zum Raketenterror «provoziert»«, teilte er per Twitter mit. »Russland hatte die Ukraine auch vor der Brücke ständig mit Raketen getroffen. Putin ist verzweifelt wegen der Niederlagen auf dem Schlachtfeld und versucht mit Raketenterror, das Kriegstempo zu seinen Gunsten zu ändern.«

Krim-Brücke strategisch sehr wichtig

Die Brücke zur Krim ist als Nachschubroute für den russischen Angriff wichtig. Das Bauwerk hat zudem einen hohen symbolischen Wert für die Führung in Moskau. Putin hatte den Angriff auf die Ukraine am 24. Februar befohlen. Der Krieg dauert nun bald acht Monate.

Die Raketenschläge sind nach russischen Angaben Teil der Kriegsführung. »Das alles geschieht im Rahmen der militärischen Spezialoperation«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Ex-Präsident und Vizesekretär des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, drohte mit neuen Angriffen. »Die erste Episode ist vorbei. Es wird weitere geben.«

Scholz telefoniert mit Selenskyj

Kanzler Olaf Scholz (SPD) telefonierte nach dem Angriff mit Selenskyj und sicherte die Solidarität Deutschlands und der anderen G7-Staaten zu. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, die G7-Staaten wollten am Dienstag in einer Videoschalte mit Selenskyj beraten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte die Angriffe auf zivile Ziele und sicherte der Ukraine weiter Unterstützung zu.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Kiew schnelle Hilfe bei der Luftverteidigung versprochen. »Wir tun alles, um die ukrainische Luftverteidigung schnell zu verstärken«, schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter. Sie sprach mit Blick auf das russische Raketenfeuer von Menschen in Todesangst im Kiewer Morgenverkehr und einem Einschlagskrater neben einem Spielplatz und sagte: »Es ist niederträchtig und durch nichts zu rechtfertigen, dass Putin Großstädte und Zivilisten mit Raketen beschießt.«

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte zuvor ihre vor eineinhalb Wochen in Odessa gemachte Ankündigung bekräftigt: »In den nächsten Tagen steht das erste von vier hochmodernen Iris-T SLM Luftverteidigungssystemen zum wirksamen Schutz für die Menschen in der Ukraine bereit.«

Ukraine bittet um Raketenabwehrsysteme

»Die beste Antwort auf den russischen Raketenterror ist die Lieferung von Flugabwehr- und Raketenabwehrsystemen an die Ukraine«, betonte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Russland halte Raketenangriffe für ein wirksames Mittel zur Einschüchterung. Das seien sie nicht. »Sie sind Kriegsverbrechen.«

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat sich entsetzt über die jüngsten russischen Angriffe auf zahlreiche Städte in der Ukraine gezeigt. »Putins Russland hat der Welt erneut gezeigt, wofür es steht: Brutalität und Terror«, schrieb die deutsche Politikerin auf Twitter. Sie wisse, dass die Ukrainer stark bleiben würden, ergänzte sie.

Von der Leyen bekräftigte, dass man der Ukraine so lange zur Seite stehen werde, wie dies nötig sei. »Mit allen Mitteln, die wir haben.« Zudem drückte sie in einer Videobotschaft, die in Narwa in Estland nahe der russischen Grenze aufgezeichnet wurde, ihr Mitgefühl für die Opfer der Angriffe aus.

© dpa-infocom, dpa:221010-99-70767/25