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Protest und Gedenken - Hunderte demonstrieren in Berlin

Vor dem ersten Jahrestag des Terroranschlags auf Israel ist die Anspannung groß. Die Polizei stellt sich auf mehrere Großeinsätze ein. Zunächst bleiben größere Zwischenfälle aus.

Jahrestag 7. Oktober 2023 – Berlin
In Tempelhof marschierten propalästinensische Demonstranten Foto: Joerg Carstensen/DPA
In Tempelhof marschierten propalästinensische Demonstranten
Foto: Joerg Carstensen/DPA

Bereits vor dem Jahrestag am 7. Oktober erinnern Hunderte Menschen in Berlin mit Kundgebungen und Demonstrationen an das Hamas-Massaker in Israel und den Gaza-Krieg. Weit über 1.000 Menschen beteiligten sich laut Polizei an einem propalästinensischen Protestzug, rund 650 kamen zu einer proisraelischen Versammlung. 

Ein Polizeisprecher bezeichnete den Verlauf insgesamt als »weitestgehend störungsarm«. Knapp 500 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz, wie die Polizei auf der Onlineplattform X mitteilte. Sie stellt sich am gesamten Wochenende auf einen Großeinsatz ein, da auch für Sonntag zahlreiche Versammlungen angekündigt sind. 

Die Teilnehmerzahlen in Berlin waren zunächst relativ gering, vor allem im Vergleich zu einer propalästinensischen Demonstration am Samstag in London, an der Zehntausende teilnahmen. In Rom kam es bei einer nicht genehmigten Pro-Palästina-Demonstration mit mehreren Tausend Menschen zu teils heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten. 

Auch andernorts in Deutschland sind noch Demonstrationen geplant. In Hamburg versammelten sich Hunderte Demonstranten und protestierten zunächst friedlich gegen den Gaza-Krieg. Schwerpunkt der Proteste dürfte nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz aber die Hauptstadt sein. 

Propalästinensische Demonstration in Tempelhof 

In Berlin versammelten sich am Platz der Luftbrücke in der Nähe des Polizeipräsidiums nach Schätzung der Polizei rund 500 Menschen zu einer propalästinensischen Demonstration mit dem Titel »Ein Jahr Genozid – und die Welt schaut zu. Gegen Polizeigewalt«. Während der Protestzug durch Tempelhof und Kreuzberg zog, stießen immer mehr Menschen dazu. In der Spitze waren es weit mehr als 1.000, aber unter 2.000, wie der Polizeisprecher sagte. 

Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer schwenkten Palästina-Flaggen und trugen sogenannte Palästinensertücher. Auf Schildern war zu lesen »Free Palestine«. Auf einem großen, mit blutroter Farbe überzogenen Transparent stand »Stop Israels Blood Genoicide« (Stoppt Israels Blut-Völkermord). Mehrere Demonstranten hielten Fotos hoch, die Polizisten bei Einsätzen zeigten, und prangerten Polizeigewalt an. 

In Reden wurden deutsche Waffenlieferungen nach Israel kritisiert. Der Tonfall war dabei teils aggressiv. Die Stimmung unter den Demonstranten war aufgeheizt. Nach Angaben der Polizei skandierten Teilnehmer mehrfach verbotene Parolen, andere zeigten verbotene Symbole. Sechs Demonstranten wurden nach Polizeiangaben deswegen kurzzeitig festgenommen. 

Gegen 20.20 Uhr löste der Versammlungsleiter die Demonstration am Checkpoint Charlie in Berlin-Mitte auf. Zu diesem Zeitpunkt waren schon viele Teilnehmer nicht mehr dabei. Ursprünglich sollte die Demonstration am Brandenburger Tor enden. 

Jahrestag 7. Oktober 2023 – Berlin
In Mitte äußerten sich Demonstranten pro Israel Foto: Joerg Carstensen/DPA
In Mitte äußerten sich Demonstranten pro Israel
Foto: Joerg Carstensen/DPA

Störung bei proisraelischer Kundgebung in Berlin-Mitte

Vor der Humboldt-Universität versammelten sich zahlreiche Menschen zu einer proisraelischen Kundgebung, die durch Berlin-Mitte ging. Die Polizei sprach von schätzungsweise 650 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Einige von ihnen schwenkten israelische Fahnen. Auf einem großen Banner war das Motto der Kundgebung zu lesen: »Gegen die antisemitische Internationale«. Auch Mitglieder der linksradikalen Antifa-Bewegung beteiligten sich.

Die Demonstration erreichte am Nachmittag ihren Endpunkt ohne größere Störungen, wie es von der Polizei hieß. Allerdings versuchte eine 26-köpfige Gruppe, in den Protestzug zu drängen. Polizisten seien eingeschritten, so der Sprecher. Es kam zu Rangeleien. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um Menschen aus dem propalästinensischen Lager. Gegen sie seien Verfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet worden. 

Vor einem Jahr am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den Gaza-Krieg, in dem nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher rund 42.000 Palästinenser getötet wurden, etwa ein Drittel davon Kinder und Jugendliche.

Israelfeindliche Ausrufe, Fahnen verbrannt 

Bei propalästinensischen Demonstrationen am Berliner Alexanderplatz ist die Polizei wegen israelfeindlicher Ausrufe und Aktionen eingeschritten. Nach Behördenangaben gab es am Freitagabend zehn vorübergehende Festnahmen. In einem Fall betraf dies einen Mann, der bei einer Kundgebung mit dem Motto »Mahnwache für Gaza« Papierfahnen des Staates Israel zerriss. 

Gegen die Mutter eines elfjährigen Kindes wird zudem wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ermittelt. Hintergrund ist, dass laut Polizei bei einer Versammlung mit dem Titel »Stoppt den Krieg« Redebeiträge gezielt von minderjährigen Kindern gehalten wurden, die noch nicht strafrechtlich belangt werden können. 

Gewerkschaft erwartet »dynamische Lage« 

Die Gewerkschaft der Polizei erwartet im Zusammenhang mit dem Jahrestag in der Hauptstadt eine »stadtweite, dynamische Lage«. Zum Jahrestag selbst, am Montag, werden laut Polizei rund 2.000 Beamten im Einsatz sein. Es sind mehrere Gedenkveranstaltungen und Proteste angekündigt. 

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat für den Fall antisemitischer Äußerungen ein hartes Durchgreifen angekündigt. Berliner Polizisten und Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern sowie die Bundespolizei würden Straftaten mit aller Konsequenz verfolgen, sagte Spranger. Die Polizeikräfte hätten dafür ihre volle Rückendeckung, hatte zuvor auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betont.

© dpa-infocom, dpa:241005-930-252162/6