Die maßgeblich mit Geld aus russischen Gasgeschäften finanzierte Klimaschutz-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern setzt ihre Arbeit gegen den Willen von Landtag und Landesregierung fort.
Eine Auflösung, wie sie das Parlament als Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine gefordert hatte, sei stiftungsrechtlich und aus Haftungsgründen nicht möglich, sagte der Stiftungsvorstand und frühere Schweriner Regierungschef Erwin Sellering (SPD). Die Rechtslage sei eindeutig. »Damit ist für uns als Stiftung eine Auflösung vom Tisch«, betonte Sellering unter Verweis auf ein mehr als 100-seitiges Gutachten der Bochumer Rechtswissenschaftlerin Katharina Uffmann.
Die Anfang 2021 gegründete und seither von Sellering geleitete Landes-Stiftung war bundesweit in den Fokus gerückt, weil sie neben dem gemeinwohlorientierten Bereich für Klimaschutz auch einen wirtschaftlichen Teil umfasste. Dieser sollte dem russischen Staatskonzern Gazprom und dessen westeuropäischen Investitionspartnern helfen, den Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee unter Umgehung von US-Sanktionen zu vollenden.
Unklare Finanzen
Die Gasleitung war im Herbst 2021 fertiggestellt worden, erhielt wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine aber keine Betriebserlaubnis. Der wirtschaftliche Bereich der Stiftung befinde sich in Abwicklung, sagte Sellering. Weder Stiftungs- noch Steuergelder seien für dessen Tätigkeit eingesetzt worden. Nord Stream 2 habe über die Stiftung Dritten ermöglicht, Material zu beschaffen und auch das Schiff »Blue Ship« für Steinschüttungen einzusetzen. Zum finanziellen Umfang gab es keine Angaben.
Größter Geldgeber der Stiftung war Nord Stream 2 mit 20 Millionen Euro. Wie viel davon nach einer möglichen Steuerabgabe bleibt, ist unklar. Laut Sellering läuft eine Prüfung, ob die Stiftung von der Schenkungssteuer befreit ist. Das Land selbst gab 200.000 Euro.
Der Fortbestand der Stiftung bringt Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) weiter in Bedrängnis. Sie hatte zwar unmittelbar nach Ausbruch des Ukraine-Krieges ihren lange Zeit russlandfreundlichen Kurs revidiert und die Unterstützung von Nord Stream 2 sowie die Stiftungsgründung als Fehler bezeichnet. Doch wegen der seither bekannt gewordenen Kontakte der Landesregierung zur Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG steht sie seit Wochen massiv in der Kritik. Die Vorwürfe, denen sich Schwesig ausgesetzt sehe, bezeichnete Sellering als unsachlich, ungerechtfertigt und teilweise ekelhaft.
Scholz räumt Fehler ein
Erst am Freitag forderte Grünen-Bundeschef Omid Nouripour die sofortige Auflösung der Klimastiftung. »Nord Stream ist tot. Jetzt kann man die Landesstiftung auch sofort auflösen«, sagte Nouripour im Deutschlandfunk. Umweltschutzverbände hatten die Stiftung von Anfang an als Tarnorganisation von Nord Stream 2 bezeichnet. Auch Vertreter von CDU und FDP drängen auf ein Ende der Stiftung. Im Schweriner Landtag soll im Mai ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, der mögliche Verquickungen von Politik und Nord Stream 2 beleuchten wird. Öffentlich gewordene Dokumente belegen, dass Vertreter der 100-prozentigen Gazprom-Tochter direkt Einfluss auf die Gestaltung der Stiftungssatzung nahmen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) räumte im Interview mit dem Nachrichtenmagazin »Spiegel« Fehler rund um Nord Stream 2 ein. »Das Problem ist nicht, dass es zwei, drei oder vier Pipelines gibt, sondern dass alle aus Russland kommen«, sagte Scholz. Deutschland hätte sich bereits im Jahr 2014, als ein Konflikt in der Ostukraine und auf der Krim grassierte, stärker von russischem Gas unabhängig machen müssen. »Notfalls hätte Deutschland Flüssiggasterminals und Importinfrastrukturen für die ostdeutschen Ölraffinerien finanzieren müssen, selbst wenn sie nicht wirtschaftlich gewesen wären«, sagte der Kanzler in dem am Donnerstag veröffentlichten Interview.
Sellering, der als Förderer Schwesigs und Wegbereiter für das Amt als Ministerpräsidentin gilt, äußerte Verständnis für deren »politischen Wunsch«, die Stiftung aufzulösen. »Aber sie hat immer gleichzeitig gesagt, nur, wenn das rechtlich geht«, betonte Sellering. Sie kenne die Position der Stiftung, die nun durch das Gutachten gestützt werde. Die Landesregierung hatte ebenfalls ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Ende April vorliegen soll.
Umweltprojekte sollen weiterlaufen
»Der Stiftungsvorstand hat keine rechtliche Grundlage, die Stiftung aufzulösen«, betonte Uffmann als Fazit ihrer Untersuchungen im Auftrag der Stiftung. Eine Auflösung stehe mit den Vorgaben der Satzung und den gesetzlichen Regelungen, an die der Vorstand als auch das Justizministerium als zuständige Aufsichtsbehörde gebunden seien, nicht im Einklang. Die Stiftung werde durch die Nord Stream 2 AG nicht dominiert, die wirtschaftliche Tätigkeit sei beendet, der Stiftungszweck Klima- und Umweltschutz könne weiterhin erfüllt werden. Zwar stehe der Ministerpräsidentin laut Satzung das Recht zu, den Vorstand unter anderem wegen Pflichtverletzung abzuberufen. »Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor«, sagte Uffmann.
Sellering betonte, dass er die Stiftungsarbeit, mit der insbesondere Umweltprojekte in Kitas und Schulen, aber auch Privatinitiativen unterstützt würden, fortführen wolle. »Es wäre falsch damit aufzuhören, in der Zivilgesellschaft für Klimaschutz zu werben. Klimaschutz ist die wichtigste Jahrhundertaufgabe«, sagte er. Sellering stellte sich hinter die Bemühungen Deutschlands und seiner Verbündeten, den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Sanktionen wirtschaftlich zu treffen, um so ein Ende des Krieges zu erreichen. »Aber glaubt irgendjemand ernsthaft, dass wir Putin wirtschaftlich oder sonst wie treffen (...), wenn wir in Mecklenburg-Vorpommern aufhören, guten Klimaschutz zu machen«, erklärte Sellering.
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