BERLIN. In drei Wochen sollen sich nach Plänen der Bundesregierung alle Menschen in Deutschland einen Corona-Impftermin besorgen können - ohne die noch geltende feste Reihenfolge.
Die Priorisierung soll ab 7. Juni aufgehoben werden, heißt es in einem Beschlussentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für Beratungen mit seinen Länder-Kollegen am Montag. Die Vorranglisten nach Alter, Vorerkrankungen und Beruf sollten dann in Arztpraxen und regionalen Impfzentren entfallen. Damit sind alle Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren berechtigt, einen Impftermin in den Impfzentren zu vereinbaren, heißt es in dem Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Zu hohe Erwartungen sollen aber zugleich gedämpft werden, da wegen der aktuell erwarteten Liefermengen nicht gleich alle Impfwilligen bereits im Laufe des Juni geimpft werden könnten. »Die Impfkampagne wird wie angekündigt bis zum Ende des Sommers fortgesetzt werden müssen.« Außerdem sind bis zum 7. Juni noch mindestens 15 Millionen Erst- und Zweitimpfungen vorgesehen - darunter viele noch entsprechend der Priorisierung. Ebenfalls ab 7. Juni sollen dem Vorschlag zufolge auch Betriebs- und Privatärzte routinemäßig in die Impfungen einbezogen werden, und zwar von Beginn an ohne Priorisierung. Generell sollen noch im Rahmen der Priorisierung vereinbarte Termine für Erst- und Zweitimpfungen von der Impf-Freigabe unberührt bleiben.
AUFHEBUNG DER PRIORISIERUNG IN ERSTEN LÄNDERN:
Einige Länder sind mit der Freigabe in Arztpraxen vorgeprescht. So dürfen sich in Baden-Württemberg seit Montag die Menschen bereits ohne Eingruppierung impfen lassen. Nur der Impfstoff von Moderna bietet sich laut Landesapothekerkammer wegen des Transports nicht für Praxen an. In den Impfzentren bleibt die Priorisierung aber erhalten, damit dort Menschen mit hohem Risiko auf jeden Fall zuerst geimpft werden. In Bayern soll die Priorisierung bei den Hausärzten im Laufe der Woche fallen. Brandenburg gab lediglich die Prioritätsgruppe 3 vollständig frei. Hessen will von Juni an die Registrierung für die Impfungen für alle Bürger öffnen. Frühere Impf-Freigaben in einzelnen Ländern sollen dem Bundes-Vorschlag zufolge bestehen bleiben können.
AUFHEBUNG DER PRIORISIERUNG NACH IMPFSTOFFEN:
Mit den Impfstoffen von Astrazeneca und Johnson & Johnson kann man sich schon jetzt ohne Zugehörigkeit zu einer Vorranggruppe impfen lassen. Sie können aber in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen haben und sind daher in der Regel bei Menschen ab 60 vorgesehen. Bei Jüngeren sind vorher ärztliche Aufklärung und eine individuelle Risikoanalyse vorgeschrieben. Die Aufhebung der Priorisierung solle es erlauben, die Impfkampagne voranzutreiben, hatte Spahn gesagt.
DER SINN DER PRIORISIERUNG:
Eingeführt wurde die amtliche Reihenfolge wegen des anfangs absehbaren Mangels an Impfstoff. Erklärtes Ziel: Menschen mit dem höchsten Risiko auf schwere und tödliche Corona-Verläufe rasch zu schützen. In Gruppe 1 kamen daher über 80-Jährige, Menschen in Pflegeheimen und Gesundheitspersonal mit hoher Ansteckungsgefahr dran. Es folgte die Gruppe 2 mit Menschen ab 70, mit Erkrankungen wie Krebs, Kita-Erzieherinnen und Lehrkräften an Grundschulen. Inzwischen laufen Impfungen in der dritten und letzten Gruppe, zu der neben über 60-Jährigen auch Berufsgruppen gehören, die nicht im Homeoffice sein können - etwa Supermarktverkäuferinnen und Busfahrer. Und bis 7. Juni stehen auch noch mindestens 15 Millionen geplante Impfungen an. Eine Gruppe 4 gibt es in der Impf-Verordnung nicht: Dann kommen alle dran.
STAND UND PERSPEKTIVEN DER IMPFKAMPAGNE:
Über 70 Prozent der Über-60-Jährigen sind mindestens einmal geimpft, fast 25 Prozent vollständig. Mehr als 40 Millionen Corona-Impfdosen sind insgesamt verabreicht. 37 Prozent der Bundesbürger (30,8 Millionen) sind mindestens einmal geimpft - 11,2 Prozent (9,3 Millionen) voll. Die höchste Quote an mindestens Erstgeimpften hat das Saarland mit 41,4 Prozent. Sachsen liegt mit 32 Prozent zurück. Bis Ende Mai sollen laut Beschlussvorlage des Spahn-Ressorts über 40 Prozent mindestens einmal geimpft sein. Jeder Siebte werde dann über den vollen Impfschutz verfügen.
INFEKTIONSLAGE:
Entwarnung will die Regierung weiter nicht geben. Die täglich fallenden Neuinfektionszahlen und die mit großem Schwung laufende Impfkampagne könnten zuversichtlich machen, aber nicht voreilig, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. »Wir haben noch nicht die Voraussetzungen dafür erreicht, einen genauso entspannten Sommer wie letztes Jahr zu genießen.« Ziel müsse bleiben, die Zahl der Ansteckungen deutlich weiter zu senken. Vor einem Jahr habe die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz um diese Zeit bei 5 gelegen, erläuterte Seibert - am Montag waren es laut Robert Koch-Institut 83,1 gemeldete neue Fälle pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen.
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