Gut vier Wochen nach dem Sieg eines oppositionellen Dreierbündnisses bei der Parlamentswahl in Polen kommt der Regierungswechsel nur langsam voran. Präsident Andrzej Duda vergab am Montag wie angekündigt den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung an den bisherigen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS. Da Morawiecki im Parlament keine Mehrheit bekommen wird, dürfte seine Mission zum Scheitern verurteilt sein. Es könnte damit noch mehrere Wochen dauern, bis eine neue Regierung steht.
Zuvor war am Montag das neue Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Die amtierende Regierung von Morawiecki trat zurück. Die Abgeordneten wählten den Politiker Szymon Holownia von der konservativen bisherigen Oppositionspartei Dritter Weg zum Parlamentspräsidenten.
Bei der Wahl am 15. Oktober hatten drei oppositionelle Parteien unter Führung des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk eine deutliche Mehrheit im Sejm, dem Unterhaus des Parlaments, errungen. Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) kommt gemeinsam mit dem Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica auf 248 der insgesamt 460 Sitze. Die drei Parteien haben mittlerweile auch einen Koalitionsvertrag unterzeichnet.
Die bisherige nationalkonservative Regierungspartei PiS wurde bei der Wahl zwar mit 194 Sitzen stärkste Kraft im Parlament, verfehlte aber deutlich die absolute Mehrheit und hat auch keinen Koalitionspartner.
Wende in der Außenpolitik in Sicht
Der bevorstehende Regierungswechsel in Warschau dürfte auch eine Wende in der polnischen Außenpolitik bringen. Die PiS lag wegen einer Justizreform im Dauerstreit mit Brüssel. Das Verhältnis zu Berlin befand sich auch wegen Forderungen nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf einem Tiefpunkt. Die drei Oppositionsparteien stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland. Der 66-jährige Tusk war schon von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef.
Bis er dieses Amt nun wieder übernehmen kann, könnte es noch einige Zeit dauern. Laut Verfassung hat der von Duda beauftragte Morawiecki 14 Tage Zeit, sein Kabinett im Parlament zur Abstimmung zu stellen. Dieses Vorhaben dürfte ihm höchstwahrscheinlich eine krachende Niederlage einbringen. Denn außer den Abgeordneten der PiS will keine andere Fraktion, nicht einmal die ultrarechte Konfederacja, für ihn stimmen. Als Morawiecki am Montag im Parlament für eine »Koalition der polnischen Angelegenheiten« warb, erntete er schallendes Gelächter.
Opposition: Soll nur Machtwechsel hinauszögern
Präsident Duda, der selbst aus den Reihen der PiS stammt, hatte seine Entscheidung für Morawiecki damit begründet, es sei in Polen parlamentarische Tradition, dass ein Vertreter der stärksten Fraktion zunächst diesen Auftrag erhalte. Die Opposition wirft ihm vor, er wolle mit dem Manöver den Machtwechsel hinauszögern und der PiS noch weitere Wochen an der Macht bescheren.
Erst wenn Morawieckis Versuch einer Regierungsbildung scheitert, ist das Parlament am Zug. Es kann aus seiner Mitte die Regierung der Dreier-Koalition unter Führung von Tusk bilden.
Allerdings wird sich die neue Regierung bei ihren Reformvorhaben mit Präsident Duda arrangieren müssen, dessen zweite Amtszeit noch anderthalb Jahre läuft. In seiner Rede vor dem Parlament betonte Duda, er sehe sich als »Wächter der Errungenschaften der vergangenen acht Jahre« - gemeint war damit die Zeit der PiS-Regierung. Der Präsident machte deutlich, dass er auch künftig von seinem Vetorecht Gebrauch machen werde, wenn er die Interessen des Landes gefährdet sehe.
© dpa-infocom, dpa:231113-99-930030/5