Verteidigungsminister Boris Pistorius baut mit schnellem Tempo die Führung der Bundeswehr um: Brigadegeneral Christian Freuding werde im Verteidigungsministerium (BMVg) die Leitung eines neuen Planungs- und Führungsstabes übernehmen, teilte der SPD-Politiker am Donnerstag allen Angehörigen der Bundeswehr schriftlich mit.
Für die Erarbeitung und Analyse von zentralen militärstrategischen Zielen hatte das Ministerium seit 1968 einen Planungsstab, der aber 2012 unter CDU-Verteidigungsminister Thomas de Maizière abgeschafft wurde.
Pistorius informierte auch über seine Entscheidung, Christian-Hendrik Heusermann die Leitung des Leitungsstabes zu übertragen. »Personelle Veränderungen in Spitzenpositionen werde ich - wenn Entscheidungen auch wirklich getroffen sind - transparent kommunizieren«, versicherte Pistorius in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Und: »Das betone ich insbesondere vor dem Hintergrund zahlreicher Spekulationen. Ich bitte hier um Ihr Vertrauen.«
Kritik an Bürokratie gab es schon lange
Erwartet wird, dass Pistorius auch eine größere Zahl von Stellen im Ministerium verlagern könnte. An den Strukturen und langen Entscheidungswegen im Ministerium sowie nachgeordneten Bundesbehörden hatte es wegen der schleppend angelaufenen Kurskorrektur nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Kritik gegeben. Diese gab es im Kern auch schon zuvor, ohne dass es zu wirksamen Veränderungen kam. Pistorius hatte zuletzt schon den Generalinspekteur, eine Staatssekretärin und die Präsidentin des Beschaffungsamtes BAAINBw ausgetauscht.
»In den vergangenen elf Wochen habe ich mir die Strukturen und Prozesse im BMVg genau angeschaut, viele Fragen gestellt und vor allem Ihnen zugehört. Ich habe mich extern wie intern beraten lassen und vieles über die Strukturen des Hauses erfahren und gelernt«, schrieb Pistorius am Donnerstag. Er danke für Offenheit und Sachverstand.
»Meine Analyse, dass wir uns als Haus mit Blick auf die neuen Herausforderungen besser aufstellen müssen, teilen viele von Ihnen«, so der Minister weiter. Er wolle den dafür erforderlichen Veränderungsprozess so transparent wie möglich gestalten. Er werde mit allen Gremien sprechen und habe für die Zeit nach Ostern zu einer Mitarbeiterversammlung eingeladen. Pistorius: »Dort möchte ich Ihnen meine Pläne - insbesondere zur Ausgestaltung des Planungs- und Führungsstabs - vorstellen, meine Beweggründe ausführlich erläutern und mich vor allem mit Ihnen austauschen.«
Lob aus der FDP
Freuding, der künftige Chef des Planungsstabes, ist derzeit Leiter des Sonderstabs Ukraine im Verteidigungsministerium und hatte Pistorius auch auf dessen Reise nach Kiew begleitet. Der Offizier koordiniert die deutsche Militärhilfe praktisch. Er war zuvor Kommandeur der Panzerlehrbrigade 9 in Munster. Immer wieder hat Freuding auch öffentlich die Entwicklung in der Ukraine militärisch analysiert und erklärt.
Die materielle Verstärkung mit westlichen Kampfpanzern und Schützenpanzern werde die Ukrainer in die Lage versetzen, örtlich begrenzt Überlegenheit zu schaffen, sagte Freuding im Februar der Deutschen Presse-Agentur. »Sie werden dann sowohl in der Verteidigung als auch im Angriff Erfolge erzielen können«, sagte er.
Aus dem Bundestag wurde die Entscheidung von Pistorius am Donnerstag begrüßt. »Bereits als Leiter des Lagezentrums Ukraine hat Christian Freuding die herausfordernde Aufgabe zielstrebig bewältigt und mit einer angenehmen Mischung aus notwendiger Klarheit und Empathie über die Situation informiert«, erklärte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). »Er ist daher mit seiner unaufgeregten und stringenten Art eine hervorragende Wahl für diesen wichtigen Posten.«
© dpa-infocom, dpa:230406-99-235814/2