Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius will nun bei der Nachlieferung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr Tempo machen. Der »Zielkonflikt« einer gleichzeitigen Militärhilfe für die Ukraine und einer besseren Ausstattung der eigenen Streitkräfte könne nur zusammen mit der Rüstungsindustrie gestemmt werden, machte der SPD-Politiker auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt deutlich, wo er zum Antrittsbesuch bei der Truppe war.
»Das Ziel muss sein, dass wir schnellere, nachhaltige und anhaltende Wiederbeschaffungswege und -zeiten haben. Es muss verlässlich sein«, sagte er. Es müsse wechselseitige Planungssicherheit geben. Dies gelte bei der Politik für die Aufträge, bei Lieferzeiten stehe die Wirtschaft in der Verantwortung. »Das muss zusammengeführt werden. Und wenn damit verbunden ist, dass mehr Produktionsressourcen in Deutschland und in Europa übrigens aufgebaut werden müssen, dann sollte das passieren«, sagte Pistorius. Insbesondere beim Thema Munition gehe es um die »Mengenfrage«, sagte er dazu. Auch darüber wolle er mit der Rüstungsindustrie vermutlich schon in der nächsten Woche erste Gespräche führen.
Pistorius hatte das Amt vor einer Woche übernommen, nachdem Vorgängerin Christine Lambrecht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um Entlassung gebeten hatte. Ihre kurze Amtszeit war begleitet von Dauerkritik und Zweifeln, ob sie der Aufgabe gewachsen ist, aus den heruntergewirtschafteten Streitkräften wieder eine breit gefechtstaugliche Truppe zu machen.
Pistorius fährt im Schützenpanzer Marder
Auf dem Truppenübungsplatz wurde Pistorius gezeigt, wie Männer und Frauen des Logistikbataillons 171 mit Handfeuerwaffen und Panzergrenadiere im scharfen Schuss mit dem Schützenpanzer Puma üben. Als Teil der Übung wurde Pistorius eine Gefechtssituation demonstriert, bei der vorrückende Puma-Panzer in offenem Gelände auf eine Sperre stoßen, diese umfahren und den Kampf weiterführen.
Der Minister fuhr auch selbst in dem Schützenpanzer, der hochmodern ist und den älteren Schützenpanzer Marder ablösen soll, zuletzt bei Schießübungen aber mit Ausfällen Schlagzeilen machte. Inzwischen hat eine genauere Schadensanalyse gezeigt, dass die Probleme wohl mit besserer Vorbereitung und Ausbildung beherrschbar gewesen wären.
»Wer den Marder noch kennt, der sieht die Unterschiede sofort. Ich füge mal als persönliche Bemerkung hinzu: Als ich aufs Gelände kam und übers Gelände fuhr, hatte ich ein Déjà-vu und habe mich an meine eigene Wehrdienstzeit erinnert vor 40 Jahren«, sagte Pistorius. »Und ich sage es mal mit meinen Worten: Ich bin froh, bei der Truppe zu sein.« Pistorius, der bei dem Besuch schon einen Flecktarn-Parka trägt und zu Panzern und Politik vorträgt, scheint nach einer Woche schon deutlich näher am Nerv der Soldaten als seine Vorgängerinnen.
Minister: Waffenlieferungen verstärken Defizite
In der Geschichte der Bundeswehr der letzten 30 Jahre habe es Einsparprogramme unter einzelnen Vorgängern in beträchtlicher Höhe gegeben, »von denen einige sagen, das habe einem Teil der Bundeswehr das Rückgrat gebrochen«, sagt Pistorius. »Gleichzeitig haben wir die Situation, dass wir eine neue Sicherheitslage haben, mit einer neuen Herausforderung an die Nato und an die Bundeswehr, was die Bündnis- und Landesverteidigung angeht.« Die Waffenlieferungen an die Ukraine rissen nun da Löcher, wo schon Defizite sind, wie er es sagte. »Wir müssen uns entscheiden. Wir können ja der Ukraine schlecht sagen. Wir stellen unsere Hilfe ein, weil es bei uns vorübergehend Lücken reißt.«
Am Vortag hat die Bundesregierung offiziell bekannt gegeben, dass sie in einem ersten Schritt 14 Kampfpanzer Leopard an die Ukraine geben wird. Angepeilt sei, dass diese von Deutschland ausgebildete ukrainische Kompanie bis »Ende März, Anfang April« in der Ukraine sei, sagte Pistorius. »Ich habe keine Hinweise darauf, dass sie zu spät kommen werden«, sagte Pistorius und wies Fragen zurück, ob die Bundesregierung zu zögerlich gewesen sei. »Wir haben nicht gezögert, wir haben verhandelt«, sagte der Minister, der auf nötige Gespräche mit Verbündeten verwies. Und: »Jeder sollte mit der Entscheidung zufrieden sein, denn wir machen, was nötig ist.«
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