Logo
Aktuell Inland

Per Kommunalwahl zur Macht? AfD will Landrat stellen

Die AfD will in Südthüringen ihren ersten Landrat Deutschlands stellen - und fokussiert auch schon die Kommunalwahl 2024. Können Mitglieder einer als extremistisch eingestuften Partei Bürgermeister werden?

Björn Höcke
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke bei einer Veranstaltung im thüringischen Pfiffelbach. Foto: Michael Reichel
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke bei einer Veranstaltung im thüringischen Pfiffelbach.
Foto: Michael Reichel

Im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree verpasste der AfD-Landratskandidat den Sieg kürzlich recht knapp - nun nimmt die Partei einen neuen Anlauf in Thüringen, um den ersten AfD-Landrat Deutschlands zu stellen. »Was wäre das für eine Schlagzeile«, rief Thüringens AfD-Chef Björn Höcke Anfang Mai bei einem Landesparteitag. »Die Bundesrepublik Deutschland würde beben, und das muss unser Ziel sein.«

Am Sonntag wählen die Menschen im südthüringischen Kreis Sonneberg einen neuen Landrat - außerplanmäßig, der Amtsinhaber ging wegen einer Erkrankung in den Ruhestand. Die AfD wittert eine Chance. »Südthüringen ist eine Hochburg von uns«, sagt Höcke der Deutschen Presse-Agentur. Mindestens in die Stichwahl wolle man kommen.

Gesichert rechtsextreme Bestrebung

Die AfD, die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Bestrebung eingestuft und beobachtet wird, schickt bei der Wahl ihren Landtagsabgeordneten, den Juristen Robert Sesselmann, ins Rennen. Hoffnungen auf den Chefsessel im Landratsamt machen sich aber auch Anja Schönheit (parteilos), Nancy Schwalbach (Grüne) und Jürgen Köpper (CDU). Köpper ist seit 2019 hauptamtlicher Beigeordneter im Landkreis Sonneberg und derzeit Interimslandrat, die Amtsgeschäfte führt er schon länger in Vertretung des erkrankten Schmitz. Schönheit wird von der SPD und Pro Sonneberg unterstützt.

AfD-Kandidat Sesselmann war im Landkreis Sonneberg für die AfD schon einmal angetreten - und gescheitert. Bei der Landratswahl 2019 landete der Rechtsanwalt auf dem dritten Platz und schaffte es damals nicht in die Stichwahl.

Wie gut die Chancen der einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten diesmal stehen, ist eher unklar. Umfragen wie bei Landtagswahlen gibt es nicht. Obwohl bei Kommunalwahlen oft örtliche Spezialthemen eine Rolle spielen, schauen auch Landespolitiker mit Interesse auf den Ausgang der Wahl in Sonneberg.

Thüringen ist CDU-Domäne

Denn kommendes Jahr stehen in vielen Regionen Kommunalwahlen an, auch in anderen ostdeutschen Bundesländern wie in Sachsen und in Sachsen-Anhalt werden in vielen Städten und Gemeinden Bürgermeister gewählt. In Thüringen gelten die Kommunalwahlen als Domäne der CDU, bei der sie in der Vergangenheit meist als klarer Sieger hervorging. Doch die AfD will den Christdemokraten das Wasser abgraben. »Wir wollen stärkste Kraft werden bei der Kommunalwahl«, sagt Höcke.

In den Ländern wie auch im Bund steht die AfD derzeit völlig isoliert da, ohne echte Machtoptionen. Das gilt auch mit Blick auf die Landtagswahlen kommendes Jahr in Thüringen, Brandenburg und Sachsen.

In den Kommunen aber könnte die Partei gestalten. Dabei ist aktuell unklar, ob die AfD überhaupt genügend Bewerber für die Kommunen findet. Mit rund 1400 Mitgliedern ist die AfD in Thüringen eine kleine Partei. Höcke räumt selbst ein, dass es schwierig werden könne, genügend Kandidaten zu finden. »Klar ist auch, dass der Zuspruch zur AfD im Augenblick größer ist als das Personal, das wir haben.« Er spricht sich deswegen dafür aus, auch mit offenen Kandidaten-Listen ins Rennen zu gehen. »Das Ganze muss dann natürlich unter der Überschrift AfD laufen«, sagte Höcke.

Wäre ein AfD-Bürgermeister überhaupt möglich?

Wer in Thüringen Bürgermeister werden will, muss wie auch anderswo in Deutschland auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Doch der Landesverfassungsschutz hat die Thüringer AfD als extremistisch eingestuft. Aber reicht schon die bloße Mitgliedschaft in der AfD, um als Bürgermeister ungeeignet zu erscheinen? Im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales geht man davon aus, dass das nicht ausreicht.

»Ein Ausschluss von der Wahl ist extrem schwierig und muss wirklich gut begründet sein«, sagt Innenstaatssekretärin Katharina Schenk (SPD). Im Innenministerium wird derzeit ein Leitfaden erarbeitet, wie mit Kandidaten umgegangen werden kann, bei denen es Zweifel am demokratischen Wertefundament gibt. Als Beispiel für einen möglichen Fall nannte Schenk die Bürgermeisterkandidatur eines bundesweit bekannten Neonazis in Südthüringen im Jahr 2022. Dieser war als Kandidat zugelassen worden, obwohl es unstrittig war, dass er ein Rechtsextremist sei. Es sei immer eine Einzelfallprüfung - und eine schwerwiegende Entscheidung, sagt die Innenstaatssekretärin.

© dpa-infocom, dpa:230608-99-981616/2