Der Wahlkampfspot zeigt verkohlte Autos und brennende Häuser, dann eine lange Kolonne marschierender Migranten. Die Kamera schwenkt auf den 5,5 Meter hohen Zaun, den Polen an der EU-Außengrenze zu Belarus errichten ließ. »Nur die PiS kann Polen Sicherheit garantieren«, sagt eine sonore Männerstimme zu Bildern einer Mutter, die sich über ihr sanft schlummerndes Baby beugt.
Mit Stimmungsmache gegen Migranten und die EU-Asylpolitik will die seit acht Jahren regierende Partei Prawo i Sprawiedliwosc (PiS, deutsch »Recht und Gerechtigkeit«) bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag (15. Oktober) Wähler gewinnen. Deshalb blockierte Polen jüngst auch gemeinsam mit Ungarn beim EU-Gipfel in Granada eine Erklärung zur gemeinsamen Migrationspolitik.
Doch auch mit dieser populistischen Kampagne könnte es diesmal knapp werden für die PiS, wenn die gut 29 Millionen Wahlberechtigten über die 460 Sitze im Parlament entscheiden. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass weder die PiS noch das größte Oppositionsbündnis, die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) von Donald Tusk, allein eine Regierung werden bilden können. Politische Beobachter rechnen mit schwierigen Koalitionsverhandlungen.
Ukraine-Hilfe steht im Wahlkampf nicht zur Debatte
Der russische Angriff auf das Nachbarland Ukraine hat in Polen viel in Bewegung gebracht. Das Land hat eine knappe Million Kriegsflüchtlinge aufgenommen, sein Status als Nato-Partner wurde durch die enge Allianz mit Kiew stark aufgewertet. Anders als in der Slowakei, wo sich der Linkspopulist Robert Fico gegen Militärhilfe für Kiew aussprach und kürzlich die Wahl gewann, stellt in Polen keine etablierte Partei diese außenpolitische Position infrage.
Zuletzt wurde das polnisch-ukrainische Verhältnis zwar durch den Streit über den Import und Transit von ukrainischem Getreide lädiert. Warschau verkündete, nur noch laufende Verträge über Militärhilfe zu erfüllen. PiS-Chef Kaczynski habe diese Wende angeordnet, weil er die Stimmen der erbosten polnischen Bauern gewinnen wollte, erklärt der Politologe Antoni Dudek - doch sei sie nicht von Dauer. »Egal, wer gewinnt: Dieser Schritt wird nach der Wahl rückgängig gemacht.«
Minderheitsregierung oder Drei-Parteien-Koalition
Die PiS kann laut Umfrage zwar mit 34 Prozent der Stimmen rechnen und wird damit voraussichtlich stärkste Partei. Doch anders als in den vergangenen acht Jahren wird sie nicht mit absoluter Mehrheit regieren. Als Koalitionspartner käme nur die ultrarechte Konfederacja infrage. Deren Chef Slawomir Mentzen allerdings schwört im Wahlkampf: »Es wird keine Koalition mit der PiS geben.« So müsste PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski entweder genug Konfederacja-Abgeordnete mit lukrativen Posten in sein Lager locken - oder eine von den Ultrarechten tolerierte Minderheitsregierung führen.
Auch ein Machtwechsel ist nicht ausgeschlossen. Die Bürgerkoalition (KO) liegt mit Umfragewerten zwischen 28 und 32 Prozent zwar derzeit deutlich hinter der PiS. Erst kürzlich brachte sie aber bei einer Großdemonstration im Zentrum von Warschau bis zu eine Million Menschen auf die Beine. Die KO könnte für eine Koalitionsregierung zwei weitere Parteien ins Boot holen: das Linksbündnis »Lewica« und den konservativ-proeuropäischen »Dritten Weg«.
Die PiS hat den Wahlkampf stark dominiert. Sie wirbt unter anderem mit dem Ausbau des Sozialstaats, auf den sich ein Großteil ihrer Popularität gründet. Erst kürzlich wurde das Kindergeld von umgerechnet 108 Euro auf 173 Euro erhöht, Rentner bekommen eine »13. Rente«, besonders bedürftige auch eine »14. Rente«. Die Vertreter der Opposition, vor allem der ehemalige Regierungschef Tusk, müssen im Wahlkampf ständig beteuern, dass sie den Polen diese Sozialleistungen nicht wegnehmen wollen. Sowohl die KO als auch das Linksbündnis und der Dritte Weg werben mit unterschiedlichen Lösungen zur Lockerung des Abtreibungsrechts, das die PiS zu einer der strengsten Regelungen in Europa gemacht hat.
Mögliche Auswirkungen auf das Verhältnis zu Berlin und Brüssel
Seit die PiS-Regierung im vergangenen Oktober in einer diplomatischen Note 1,3 Billionen Euro Weltkriegs-Reparationen von Deutschland gefordert hat, ist das deutsch-polnische Verhältnis ist auf einen Tiefpunkt gesunken. Insofern hofft man auch in Berlin auf einen Regierungswechsel.
Polen ablehnende Haltung zur europäischen Migrationspolitik dagegen dürfte sich auch dann nicht wesentlich ändern, wenn die PiS abgelöst wird. Die KO plädierte kürzlich dafür, Polen müsse zusammen mit der Slowakei, Tschechien und Ungarn eine Gruppe bilden, die den EU-Asylkompromiss zur verpflichtenden Aufnahme von Flüchtlingen blockiert. »Ich sehe keine Chance, dass polnische Politiker in dieser Hinsicht etwas ändern werden, denn sie werden sich auch nach der Wahl unter dem Druck der PiS befinden, die alle anderen Parteien künftig mit diesem Thema genauso terrorisieren wird, wie sie es bisher getan hat«, sagt der Politologe Dudek.
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