Schon im Morgengrauen ziehen die Gläubigen zum alten Militärflughafen von Kinshasa, um den Papst zu sehen. Frauen, Männer und Kinder aus der Demokratischen Republik Kongo feiern bereits lange vor Beginn der Messe, singen, tanzen und schwenken Fähnchen. Viele tragen bunte Kleider oder Hemden aus Stoffen mit dem Konterfei von Franziskus.
»Bandeko, boboto«, sagt der Pontifex zu Beginn seiner Predigt in Kongos Landessprache Lingala und mehr als eine Million Menschen jubeln dem Gast aus dem Vatikan zu. Franziskus lächelt und wirkt glücklich - so eine Begeisterung hatte er sich gewünscht.
Bei seiner Reise in den Kongo und ab Freitag in den Südsudan will der Papst für Frieden und Nächstenliebe werben, just in zwei Ländern, in denen vielerorts Gewalt und Blutvergießen zugenommen hatten. Beim Gottesdienst auf dem Flughafen N'Dolo predigte der Papst dann auch, »den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und die Ränke des Hasses zu zerschlagen«. All jene, die Gewalttaten begehen, mögen diesen Moment zum Anlass nehmen, um zum Frieden zu finden, sagte er.
Mehr als eine Million Menschen waren nach Angaben der Polizei von Kinshasa gekommen. Es war eine der größten Menschenmengen, mit denen Franziskus je gefeiert hat. Den Rekord hält nach wie vor eine Messe in der philippinischen Hauptstadt Manila, bei der Anfang 2015 den Schätzungen zufolge rund sechs Millionen Menschen dem Regen trotzten.
»Ein Zeichen der Ermutigung«
In der Demokratischen Republik Kongo mit mehr als 100 Millionen Einwohnern - davon laut Vatikan fast die Hälfte Katholiken - hofft der Papst, dass sein Wort Gewicht hat. So viele Menschen sehnen ein Ende der Konflikte und Anschläge herbei, die zuletzt vor allem im Osten an der Grenze zu Ruanda und Uganda zunahmen. Der Besuch des Papstes sei »ein Zeichen der Ermutigung und des Trostes«, sagte der Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Fridolin Ambongo Besungu.
Nachdem Franziskus' jüngste Auslandsreisen teils noch eher überschaubare Resonanz vor Ort hervorgerufen hatten, erinnerte der Mittwoch in Kinshasa wieder an große Papst-Events der Vergangenheit etwa mit Johannes Paul II. oder eben Franziskus selbst. Weil der Gottesdienst im sogenannten Zairischen Messritus mit landestypischen Gesängen gefeiert wurde, war er noch mal bunter und emotionaler.
Seit dem frühen Morgen, als die Sonne rot im Osten Kinshasas aufging, sicherten sich Tausende Menschen ihren Platz auf dem Rollfeld. Ein großer Chor samt Band sang sich für den Gottesdienst ein. Kleine Mädchen in weißen Kleidern übten Tänze. Einige junge Männer, die es nicht nah an den Altar heran geschafft hatten, kletterten auf alte Flugzeuge, um einen Blick zu erhaschen.
Félix wohnt rund 300 Kilometer von Kinshasa entfernt, am frühen Morgen war er mit anderen jungen Leuten angereist. »Franziskus ist ein guter Mann«, sagte er. »Ich habe schon viel von ihm gehört, aber ich wollte hierher kommen, um ihn selbst zu erleben.« Mit Freunden hat er ein Plakat mitgebracht, auf dem zwei kongolesische Märtyrer zu sehen sind. »Wir möchten, dass der Papst sie heiligspricht«, sagte Félix. »Santi Subito«, stand dementsprechend auf dem Banner.
Gewalt, Terror, Tod
Eine Heiligsprechung scheint ein Klacks im Vergleich zum Bestreben, dem ganzen afrikanischen Kontinent zum Frieden zu verhelfen. Zumal mancherorts unschuldige Menschen unfassbares Leid erleiden müssen. Am Abend traf sich Franziskus mit Opfern von Gewalt aus dem Osten des Kongo, die von furchtbaren, unmenschliche Erlebnissen berichteten.
Ein Jugendlicher erzählte, dass er mitansehen musste, wie sein Vater von Männern getötet und enthauptet wurde. Auch habe er miterlebt, wie seine Mutter entführt wurde. Eine Teenagerin berichtete, dass sie mit anderen Mädchen von Rebellen entführt und mehr als eineinhalb Jahre lang wie eine Sklavin gehalten und vergewaltigt wurde. Eine andere Frau sagte, dass sie in einem Flüchtlingslager gelebt habe, das 2022 überfallen wurde. Bei diesem Angriff seien Männer und Frauen auf zum Teil bestialische Art und Weise umgebracht und zerstückelt worden.
Die jungen Leute legten Gegenstände wie Macheten oder Stöcke auf den Fußboden neben den Papst, um an ihre Pein zu erinnern.
»Eure Tränen sind meine Tränen, euer Schmerz ist mein Schmerz«, sagte der Papst zu ihnen. Er wolle jeder Frau und jedem Mann, dessen Dorf niedergerannt wurde, jeder vertriebenen Familie, den Überlebenden von sexueller Gewalt sowie jedem verletzten Kind und Erwachsenen sagen: »Ich bin bei euch, ich möchte euch die liebevolle Nähe Gottes bringen. Sein zärtlicher und mitfühlender Blick ruht auf euch.«
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