Im Fall des Angriffs auf die Nord-Stream-Gaspipelines geht die Puzzlearbeit der Ermittler nach Bekanntwerden neuer Details im Verborgenen weiter. Das Bundeskriminalamt (BKA) wollte sich am Donnerstag auf Anfrage nicht zu Angaben eines Hafenbetreibers auf der Insel Rügen äußern, wonach Ermittler seine Kollegen im Januar zu Schiffsankünften im September vergangenen Jahres befragt haben sollen - möglicherweise im Zusammenhang mit dem Sabotageakt.
Am Freitag will sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags in einer Sondersitzung mit den Nord-Stream-Ermittlungen befassen - wie üblich tagen die Mitglieder geheim.
Ende September war es zu Explosionen unter Wasser gekommen. Beide Stränge der Pipeline Nord Stream 1 und ein Strang von Nord Stream 2 schlugen leck. Die Ostsee-Gaspipelines verlaufen von Russland nach Deutschland. Ermittlern zufolge handelt es sich um einen Sabotageakt. ARD, SWR und die »Zeit« berichteten nun, dass eine aus sechs Personen bestehende Gruppierung eine Jacht angemietet und wohl darauf den Sprengstoff zu den Pipelines in der Ostsee befördert habe. Zwei der Personen hätten ukrainische Pässe. Eine Verbindung zu staatlichen Stellen lasse sich aber nicht herstellen.
BKA befragte Hafenbetreiber auf Rügen
Einer der Betreiber des Jachthafens in Wiek auf der Ostsee-Insel Rügen sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, Ermittler des BKA hätten seine Kollegen zu Schiffsankünften im September befragt. Die Befragungen seien persönlich, postalisch und telefonisch erfolgt, er selbst sei persönlich nicht dabei gewesen, sagte René Redmann, der zu den Hafenbetreibern im Norden der Insel gehört. »Erkenntnisse, die wir zu diesem Zeitpunkt zu irgendwelchen Ankünften oder Nicht-Ankünften hatten, die haben wir sozusagen dem BKA mitgeteilt und mehr kann ich dazu weiter nicht sagen.« Zu den Ankünften selbst wollte Redmann keine Angaben machen. Ein BKA-Sprecher sagte auf Anfrage, das BKA äußere sich grundsätzlich nicht zu Ermittlungsverfahren, und verwies an den Generalbundesanwalt.
ARD, SWR und »Zeit« hatten berichtet, dass das Kommando den Ermittlungen zufolge von Rostock aus in See gestochen sein soll. Eine ursprüngliche Angabe, wonach es einen Aufenthalt in Wieck (Darß) gemacht habe, wurde mittlerweile korrigiert. Tatsächlich habe es sich um Wiek auf Rügen gehandelt.
Kreml: Berichte »schwer zu glauben«
Ebenfalls im Januar hatte die Bundesanwaltschaft bei ihren Ermittlungen ein verdächtiges Schiff durchsuchen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, die am 26. September 2022 an den Pipelines explodiert waren, hatte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde am Mittwoch auf Anfrage mitgeteilt. Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an.
Ein Tauchexperte sagte der dpa, er halte einen derartigen Anschlag auch von einer Segeljacht aus für machbar, sofern es sich um Profis handele.
Der Kreml nannte unterdessen Berichte über eine angeblich private pro-ukrainische Gruppierung hinter den Anschlägen auf die Gaspipelines unglaubwürdig. »Was den pro-ukrainischen «Doktor Evil» betrifft, der das alles organisiert haben soll, so ist das schwer zu glauben«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Solch eine Aufgabe könnten nur wenige Geheimdienste bewerkstelligen.
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