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Neues Ampel-Streitthema? SPD dringt auf Industriestrompreis

Das Thema birgt neues Konfliktpotenzial für die Ampel: Die SPD ist für einen subventionierten Industriestrompreis, die Grünen auch, die FDP lehnt ihn ab. Der Kanzler ist skeptisch.

Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion
Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD-Chefin Saskia Esken und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich (r) bei der Klausurtagung in Wiesbaden. Foto: Boris Roessler/DPA
Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD-Chefin Saskia Esken und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich (r) bei der Klausurtagung in Wiesbaden.
Foto: Boris Roessler/DPA

Die SPD-Bundestagsfraktion hat in Abwesenheit von Kanzler Olaf Scholz ihr Konzept für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis beschlossen. Er soll zunächst auf fünf Jahre befristet sein, fünf Cent pro Kilowattstunde betragen und für die besonders von hohen Energiekosten betroffenen Unternehmen gelten. Die Differenz zum durchschnittlichen Börsenstrompreis, der derzeit bei etwa 8,95 Cent liegt, soll der Staat übernehmen.

Die Abgeordneten der größten Regierungsfraktion beschlossen das Positionspapier bei ihrer Klausurtagung im hessischen Wiesbaden nach Teilnehmerangaben einstimmig. Scholz, der zu den 206 Abgeordneten der größten Regierungsfraktion gehört, verließ die Sitzung allerdings bereits vor Beginn der Debatte. In einem Redebeitrag zu Beginn der Klausur positionierte er sich nicht zu dem Papier. Er hatte sich in den vergangenen Wochen mehrfach skeptisch zu der Subvention geäußert und dauerhafte Staatshilfen sogar abgelehnt.

Mützenich an FDP: »Man kann nicht immer Nein sagen«

Mit der Befristung auf zunächst fünf Jahre will seine SPD ihm eine Brücke bauen. Das Thema birgt aber auch neues Konfliktpotenzial für die Ampel-Regierung. Die FDP lehnt die Subvention ab, die Grünen sind dafür. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich appellierte an die FDP, sich nicht gegen den Industriestrompreis zu sperren. »Man kann nicht immer Nein sagen«, sagte er an die Adresse der Liberalen. Er verwies darauf, dass die Stützung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen ja auch zur »parteipolitischen Tradition« der Liberalen zähle.

Mit der vorübergehenden Staatshilfe sollen nach Ansicht der SPD-Fraktion vor allem Unternehmen entlastet werden, die besonders viel Energie verbrauchen. Hinzu kommen die Schlüsselbranchen für einen klimaschonenden Umbau der deutschen Wirtschaft, also zum Beispiel Produzenten von Windrädern, Solaranlagen, Batterien oder Wärmepumpen. So soll sichergestellt werden, dass die sogenannte Transformation zu einer klimafreundlichen Wirtschaft weiter Fahrt aufnimmt.

Grünen-Fraktion erfreut über SPD-Zuspruch

Die Grünen-Bundestagsfraktion zeigte sich erfreut über die Unterstützung aus der SPD-Bundestagsfraktion. »Und wir hoffen, wenn es schon zwei Bundestagsfraktionen sind, dass wir auch gemeinsam dann alle Koalitionspartner davon überzeugen können, dass am Ende die Einigung auch steht für einen Industriestrompreis«, sagte die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge in Berlin. »Dafür wollen wir jetzt gemeinsam werben.«

Nach Vorstellung der Grünen solle für einen »Brückenzeitraum«, für die 20er Jahre, der Strompreis auf 6 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden, damit Unternehmen Planbarkeit hätten, so Dröge. Das solle auslaufen, wenn die Stromkosten durch den Ausbau der erneuerbaren Energien sänken.

EU-Abgeordneter will gesamteuropäische Lösung

Der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss fordert unterdessen einen europäischen Weg. »Die Dekarbonisierung der Industrie ist eine Jahrhundertaufgabe, die Europa nur gemeinsam schaffen kann. Deshalb braucht es einen europäischen Industriestrompreis«, sagte Bloss der Deutschen Presse-Agentur. Frankreich schaffe mit subventioniertem Atomstrom bereits Vorteile für die eigene Industrie. Es brauche aber eine gesamteuropäische Lösung: »Ein Subventionswettlauf zwischen den Mitgliedsstaaten ist teuer, ineffektiv und schadet dem Industriestandort Europa.«

Nach Ansicht von Bloss solle ein Industriestrompreis nur für die Unternehmen gelten, die ihre Produktion effektiv klimafreundlicher gestalteten. »Die Industrie muss lernen, ihre Produktion zeitlich an das vorhandene Stromangebot aus Erneuerbaren anzupassen und weiterhin auf die Preissignale der Strommärkten reagieren.« So werde günstiger grüner Strom für Unternehmen und Haushalte sichergestellt.

FDP: Industriestrompreis keine Lösung

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wies den Appell von SPD-Fraktionschef Mützenich zum Einlenken dagegen zurück. »Herr Mützenich irrt sich, wenn er meint, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch Subventionsprogramme in Milliardenhöhe gestärkt würde«, sagte Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

»Ein subventionierter Industriestrompreis ist keine Lösung, um der offenkundigen Standortschwäche Deutschlands effektiv begegnen zu können«, erklärte Djir-Sarai. Zudem würde er den inländischen Wettbewerb zulasten kleinerer Unternehmen verzerren. Vielmehr müsse der Standort Deutschland wieder attraktiv werden für Firmen und private Investitionen.

Geld soll aus Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen

Finanziert werden soll die Subvention über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds - einem Sondertopf des Bundes, aus dem die Energiepreisbremsen gezahlt werden. Dafür wird aber deutlich weniger Geld benötigt als erwartet.

Scholz nahm nur eineinhalb Stunden an der Klausurtagung teil. Schon vor der Abstimmung des in der Ampel-Regierung ebenfalls umstrittenen Konzepts zum Thema Wohnen verschwand er wieder, hielt sich während der Diskussion über die Wirtschaftspolitik und den Industriestrompreis noch eine Weile in einem anderen Raum des Tagungshotels auf, bevor er wieder nach Berlin abreiste. Als Grund für die nur kurze Stippvisite bei der Klausur wurden Termine in der Hauptstadt genannt.

© dpa-infocom, dpa:230828-99-991524/4