Mit diesem Haushaltsentwurf hat sich die Bundesregierung wirklich schwergetan: Unzählige Verhandlungsstunden unter Einschaltung des Bundeskanzlers, genervte Koalitionspartner und ein Paket, das wegen drohenden Verfassungsbruchs wieder aufgeschnürt wurde. Jetzt gibt es einen Kompromiss, doch es bleiben weiter Milliardenlücken im Etat für das kommende Jahr. Ihr Ziel, das Loch auf akzeptable - und übliche - neun Milliarden zu schrumpfen, verfehlten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Ende doch.
Durchbruch kurz vor dem Wochenende
Am Nachmittag verkündete Regierungssprecher Steffen Hebestreit, eine »Vereinbarung zum Haushalt 2025«. Die Vorgaben der Schuldenbremse des Grundgesetzes würden weiterhin eingehalten. Das ist ein großes Anliegen von Lindner. Der neue Kompromiss sieht im Kern Umschichtungen von Geldern für die bundeseigene Deutsche Bahn vor.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Bundesregierung werde heute, wie im Juli verabredet, den Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2025 an den Bundestag und den Bundesrat offiziell zuleiten. »Dabei haben wir im Vergleich zum Juli-Beschluss Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur mit zusätzlichem Kapital und Darlehen für die Deutsche Bahn beschlossen und weitere allgemeine Einsparungen vorgenommen.« Der Haushalts-Gesetzgeber könne nun pünktlich nach der parlamentarischen Sommerpause mit den Beratungen über den Haushalt des nächsten Jahres beginnen.
Vizekanzler Habeck sagte: »Es ist gut, dass jetzt endlich eine Einigung steht.« Alles Weitere werde man in den nächsten Wochen klären. »Entscheidend ist für mich, dass wir jetzt neben dem Haushalt die Wachstumsinitiative zügig voranbringen, denn unsere Wirtschaft braucht jetzt schnell Impulse.«
Lindner hob hervor, der Etatentwurf sei verfassungsrechtlich »unangreifbar«, tragfähig und setze Schwerpunkte bei Bildung, bei Innovation, bei Investitionen in Straße, Schiene, digitale Netze, in die Sicherheitsbehörden und die Bundeswehr. Er wies zudem auf geplante milliardenschwere Steuerentlastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Firmen hin. Die Verhandlungen innerhalb der Regierung bezeichnete Lindner in Düsseldorf als »außerordentlich schwer«. Die verbliebene Lücke von zwölf Milliarden Euro nannte er einen Wermutstropfen. Die Lücke sei etwas höher, als er sie sich als Finanzminister wünschen würde. »Besser wäre es, sie wäre einstellig.«
Schlüsselwort Minderausgabe
Nach Angaben der Bundesregierung wird durch den Kompromiss die sogenannte globale Minderausgabe um rund fünf Milliarden Euro auf dann noch rund 12 Milliarden Euro verringert. In dem im Juli beschlossenen Haushaltsentwurf war noch die Rede von einer Minderausgabe in Höhe von etwa 17 Milliarden Euro.
Eine globale Minderausgabe ist faktisch eine pauschale Spar-Vorgabe im Haushalt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Ministerien ohnehin nicht das gesamte Geld in dem Jahr ausgeben werden - zum Beispiel, weil sich Projekte verzögern. Das Vorgehen ist durchaus üblich, doch einen zweistelligen Milliardenbetrag als Lücke einzuplanen, gilt als riskant. Die Regierung geht zwar davon aus, dass sich diese Lücke unter anderem durch die wirtschaftliche Entwicklung noch verringern wird, wie sie mitteilte. Dem Parlament steht nun aber eine vergleichsweise große Aufgabe bevor in den Beratungen zum Haushalt, weil die Minderausgabe deutlich größer ist als üblich. Der Etat soll im Spätherbst vom Bundestag beschlossen werden, die erste Beratung im Parlament ist im September geplant.
Es gab schon eine Einigung
Anfang Juli hatten Bundeskanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner bereits einmal eine Einigung über den Etat für 2025 verkündet. Wochenlang hatten sie zuvor darum gerungen, eine Lücke von mindestens 30 Milliarden Euro zu stopfen. Dann sollte das ohne allzu harte Sparmaßnahmen gelungen sein.
Die Minderausgabe von 17 Milliarden Euro sollte eigentlich um rund acht Milliarden Euro geschlossen werden. Dazu gab es Prüfaufträge, ob die Bahn und die Autobahngesellschaft kreditfinanzierte Darlehen statt direkte Zuschüsse aus dem Haushalt bekommen sollen. Daneben ging es um Gelder bei der staatlichen Förderbank KfW.
Die Rolle der Gutachten
Lindner hatte bereits nach der ersten Einigung deutlich gemacht, es gebe rechtliche und wirtschaftliche Bedenken, ob alle für eine Lösung ins Auge gefassten Vorhaben auch umsetzbar seien
Nachdem zwei Gutachten die Zweifel in Teilen bestätigt hatten, verwarfen die Koalitionäre die Idee, 4,9 Milliarden Euro der KfW statt für die Gaspreisbremse im Haushalt zu anderen Zwecken einzusetzen.
Umstritten war auch, ob Bahn und Autobahngesellschaft unterstützt werden können, ohne dass dies auf die Schuldenbremse angerechnet werden muss. Hier waren Lindner und Scholz unterschiedlicher Meinung - deswegen kam es nun zu Nachverhandlungen.
Mehr Eigenkapital für die Bahn
Konkret ist laut Regierung nun geplant, dass die Infrastruktursparte der Deutschen Bahn AG zusätzliches Eigenkapital im Umfang von 4,5 Milliarden Euro bekommt - das soll die im bisherigen Entwurf des Bundeshaushalts 2025 vorgesehenen Zuschüsse ersetzen. Außerdem soll die Bahn ein Darlehen des Bundes in Höhe von drei Milliarden Euro bekommen. Konkret sollen hoch verzinste Anleihen am Markt durch günstigere Kredite aus dem Bundeshaushalt abgelöst werden. Damit würden die Bahn und auch der Bund entlastet.
Bisher war eine Eigenkapitalerhöhung von rund 5,9 Milliarden Euro vorgesehen, damit soll die Bahn Investitionen zur Sanierung des maroden Schienennetzes vornehmen. Insgesamt sind laut Regierung für die Schieneninfrastruktur im Haushalt 2025 nun Investitionsmittel in Höhe von 15,1 Milliarden Euro vorgesehen.
Mehr Eigenkapital für die Bahn bedeutet aus Finanzierungsgründen steigende Trassenpreise - das sind Gebühren für Nutzung des Schienennetzes, eine Art Schienenmaut. Befürchtet wird von Bahnverbänden, dass höhere Kosten eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ausbremst.
Weitere Maßnahmen
Um die Minderausgabe zu drücken, sind zwei weitere Maßnahmen geplant. Rund 300 Millionen Euro werden laut Mitteilung durch eine höhere Zahlung des Energiekonzerns Uniper an den Bundeshaushalt erbracht. Uniper war in der Energiepreiskrise 2022 verstaatlicht worden, um die Energieversorgung für Privathaushalte und die Wirtschaft zu sichern. Zum anderen wird die Vorsorge für den Ausfall von Steuereinnahmen beim sogenannten EU-Energiekrisenbeitrag um 200 Millionen Euro abgesenkt.
Keine Änderung bei Autobahn GmbH
Die Idee von Darlehen für die bundeseigene Autobahngesellschaft ist vom Tisch. Denn dafür wären eigene Einnahmen der Autobahn GmbH nötig, die sie derzeit nicht hat. Generell möglich wäre, dass die Autobahn GmbH einen Teil der Einnahmen aus der Lkw-Maut bekommt. Die Rede war nun davon, es brauche für Änderungen bei der Finanzierung der Autobahn GmbH eine »vertiefte Debatte«
Volumen des Haushalts
Laut des bisherigen Entwurfs will die Ampel im kommenden Jahr mehr als 480 Milliarden Euro ausgeben, fast ein Zehntel davon auf Kredit. Doch sicher ist das auch weiterhin nicht. Denn beschlossen wird ein Bundeshaushalt nicht von der Regierung, sondern vom Parlament. Die Haushälter im Bundestag nehmen bis zum Beschluss kurz vor Weihnachten für gewöhnlich noch eine ganze Reihe an Änderungen vor - und nehmen teils auch von der Regierung vorgesehene Kürzungen wieder zurück.
Die Ampel-Koalition will zugleich mit einem Maßnahmenpaket die taumelnde Wirtschaft wieder ankurbeln, Sozialleistungen erhalten, Steuerzahler entlasten und der angespannten internationalen Sicherheitslage gerecht werden.
Kritik aus der Union
Der Chefhaushälter der Union, Christian Haase, sagte: »Diese Regierung hat erneut ein unwürdiges Schauspiel abgeliefert. Über Monate führt sie einen Eiertanz zum Haushalt auf, um dann in einem zweiten Anlauf etwas zu präsentieren, dass weiterhin verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft ist.« Der Regierung fehle offensichtlich die Kraft für einen soliden Haushalt. »Deutschlands Zustand ist der eines kranken Patienten, dem leider die richtige Medizin fehlt.«
Auch aus der eigenen Koalition kam Kritik an den Verhandlern: Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte der dpa: »Das Hin und Her zwischen Finanzminister und Kanzler war völlig überflüssig. Niemand in Deutschland hat Lust auf diesen Hickhack.«
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