Feierliche Zeremonie für ein deutsch-norwegisches Milliarden-Projekt in Kiel. Begleitet von Klängen eines U-Boot-Sonars halten Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und sein norwegischer Amtskollege Bjørn Arild Gram unter Scheinwerferlicht am Dienstag Einzug.
Wenig später erfolgen in der neuen Schiffbauhalle des U-Boot-Bauers Thyssen Krupp Marine Systems erste Schweißarbeiten am Vorderteil des Druckkörpers des ersten von vier U-Booten für Norwegen. Deutschland hat bislang zwei der baugleichen Boote bestellt. Gesamtauftragswert für alle sechs nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind 5,5 Milliarden Euro.
Projekt mit Vorbildcharakter
Deutschland hat eine Kaufoption für vier bis sechs weitere U-Boote. »Dass wir wollen, steht außer Frage«, sagte Pistorius. Es ginge auch um eine zeitliche Staffelung. In den nächsten ein bis zwei Jahren werde eine Entscheidung fallen. Für Pistorius hat das Projekt Vorbildcharakter. Dazu gehöre die Fähigkeit, jederzeit auf dem Boot des anderen zu fahren. »Das wird sicher Schule machen, auch in anderen Bereichen.«
Norwegen hat eine Option zum Kauf von vier weiteren U-Booten. 2024 werde das Land über seine langfristige Planung entscheiden, sagte Gram. Die neue Klasse 212CD könne Inspiration für andere Verbündete sein. Beide Staaten seien offen, mehr Partner in das Projekt aufzunehmen. Die neue Sicherheitslage in Europa liefere die Notwendigkeit zu engerer Kooperation. Bereits das erste norwegische U-Boot sei 1909 in Kiel gebaut worden.
Die neuen, knapp 74 Meter langen und 10 Meter breiten Boote werden in einigen Jahren ausgeliefert. Sie verfügen nach Werftangaben gegenüber den aktuellen deutschen U-Booten über weiterentwickelte Fähigkeiten bei der Erstellung von Lagebildern sowie eine verringerte Signatur.
Staatsbeteiligung am U-Boot-Bauer?
Norwegen soll 2029 das erste von vier Booten erhalten. Deutschlands Boote sollen 2032 und 2034 fertig sein. »Mit dem Baustart des ersten norwegischen U-Bootes haben wir heute den Startschuss und ein starkes Signal für die europäische Zusammenarbeit gesetzt«, sagte Werft-Chef Oliver Burkhard. Er hofft auf weitere U-Boot-Aufträge und möglicherweise auf einen Einstieg des Bundes.
»Wir überlegen das«, sagte Pistorius, ohne sich jedoch festzulegen, wie eine Staatsbeteiligung an dem U-Boot-Bauer aussehen könnte. Der Bund prüfe einen Einstieg, diese Überlegungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen. Das werde mindestens bis Ende des Jahres dauern.
Wie das »Handelsblatt« berichtete, solle ein Finanzinvestor die Mehrheit an TKMS übernehmen und der deutsche Staat einen Minderheitsanteil. Thyssen-Krupp wolle nur einen Minderheitsanteil behalten. Der Einstieg des Finanzinvestors sei als Übergangslösung gedacht. Perspektivisch seien ein Börsengang und die Fusion mit einer Sparte der Bremer Lürssen-Werft möglich.
Burkhard betonte am Rande der Zeremonie, die Eigenständigkeit der Werft könne über verschiedene Wege geschehen. »Wir haben jetzt ein Momentum durch Zeitenwende, auch durch ein volles Orderbuch.« Zudem sei ein Mehrgeschäft zu erwarten, eine Wachstumsphase, die möglicherweise ThyssenKrupp nicht mitfinanzieren könnte. »Deswegen sucht man nach frischem Kapital.«
Viele Arbeitsplätze
Das Unternehmen beschäftigt allein in Kiel derzeit rund 3100 Menschen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte, die überwiegende Mehrheit der Kielerinnen und Kieler wisse, was in den Hallen der Werft passiere und sei stolz darauf.
»Für den Wirtschaftsstandort ist die Branche mit einem Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro und 20.000 damit verbundenen Arbeitsplätzen ein Zugpferd.« Wehrtechnik sei nicht nur Exportgut. Er forderte in Richtung Pistorius, es müsse aber spätestens jetzt bei Aufträgen für Marine nachgelegt werden. Die Produktionszeiten seien lang.
Der Thyssenkrupp-Vorstandsvorsitzende Miguel López bezeichnete den offiziell am Dienstag eingebauten Neubau als modernste Produktionshallen für konventionelle U-Boote weltweit. Es seien 400 neue Jobs entstanden. Das weithin sichtbare Gebäude mit sieben einzelnen Hallen ist Teil einer Modernisierung der Werft für rund eine Viertelmilliarde Euro.
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