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Netanjahu warnt vor Eingreifen des Obersten Gerichts

Israels Oberstes Gericht will sich im September mit der umstrittenen Justizreform der Regierung befassen. Ministerpräsident Netanjahu schürt die Sorge vor einer möglichen Staatskrise.

Benjamin Netanjahu
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnet die Justizreform als »minimale Anpassung«. Die Sorgen der Gegner nennt er »albern«. Foto: Abir Sultan/DPA
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnet die Justizreform als »minimale Anpassung«. Die Sorgen der Gegner nennt er »albern«.
Foto: Abir Sultan/DPA

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat davor gewarnt, »Neuland« zu betreten, sollte sich das Oberste Gericht gegen ein von seiner Regierung jüngst verabschiedetes Gesetz zur Schwächung der Justiz stellen.

»Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt«, sagte Netanjahu in einem Interview des US-Senders CNN, ohne darauf einzugehen, ob seine Regierung sich an ein Urteil des Obersten Gerichts halten würde. Sollte sich das Gericht gegen die Entscheidung des Parlaments stellen, könnte dies zu einer »Art Spirale« führen, sagte der 73-Jährige weiter. Das Gespräch wurde in der Nacht auf Freitag ausgestrahlt.

Sorgen vor Verfassungskrise

Netanjahus rechts-religiöse Regierung hatte trotz massiver Kritik ein Gesetz verabschiedet, das dem Obersten Gericht die Möglichkeit nimmt, gegen »unangemessene« Entscheidungen der Regierung vorzugehen. Der Staat Israel hat keine Verfassung und fußt dagegen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Bei der Abschaffung des sogenannten Angemessenheitsstandards handelt es sich um eine Änderung eines dieser Grundgesetze.

Im September will sich das Oberste Gericht mit eingereichten Petitionen gegen das Gesetz befassen. Unklar ist, wie es sich verhalten wird. In Israels Geschichte wurde noch nie ein vergleichbares Gesetz vom Obersten Gericht einkassiert. Eine solche Entscheidung wäre nicht unumstritten und könnte zu einer Art Verfassungskrise führen, sollte die Regierung das Urteil nicht akzeptieren.

Oppositionspolitiker Benny Gantz kritisierte, dass Netanjahu sich nicht festlegen wollte. »In einem demokratischen Land respektiert ein Ministerpräsident Gerichtsurteile und handelt danach, egal wie sehr er mit ihnen nicht einverstanden ist«, schrieb Gantz auf Twitter. Alles andere wäre ein »Staatsstreich«.

Die Änderung ist Teil eines umfassenden Gesetzesvorhabens der Regierung, um die unabhängige Justiz im Land zu schwächen. Experten sehen darin eine Gefahr für die Gewaltenteilung und damit die Demokratie. Netanjahus Regierung wirft den Richtern dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.

Netanjahu will engen Vertrauten zurückholen

Im Januar musste Netanjahu seinen Innenminister entlassen, weil die Richter dessen Ernennung wegen seiner kriminellen Vergangenheit als »unangemessen« eingestuft hatten. In einem Interview des US-Senders NPR sagte Netanjahu auf die Frage, ob dies rückgängig gemacht werden soll: »Es hängt natürlich davon ab, was mit der Gesetzgebung passiert, wir müssen abwarten. Aber wenn es steht, erwarte ich, dass es passiert.«

Gleichwohl sagte er NPR, er habe nicht die Absicht, Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara zu entlassen. Mehrere Minister seiner Regierung hatten damit offen gedroht. Baharav-Miara hatte sich in der Vergangenheit mehrfach gegen ihre Politik gestellt. Das neue Gesetz würde eine Entlassung erleichtern.

Reform laut Netanjahu nur »minimale Anpassung«

Am Donnerstag hatte Netanjahu in einem Interview mit »ABC News« gesagt, es handele sich nur um eine »minimale Anpassung«. Die Sorgen der Gegner bezeichnete er dabei als »albern«.

Die Gesetzesänderungen erfolgen auch auf Druck von Netanjahus strengreligiösen Koalitionspartnern. Sie könnten Netanjahu laut Experten jedoch auch in einem schon länger gegen ihn laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen. Ein weiteres Kernelement des Vorhabens - eine Änderung bei der Besetzung von Richtern - soll im Herbst auf die Agenda rücken.

© dpa-infocom, dpa:230728-99-580928/2